Wissenswertes über die Islamische Jihad Union

In einem Gutachten für die Bundesanwaltschaft leuchtete der Terrorismusforscher Guido Steinberg die Hintergründe der ominösen Terrorgruppe aus

Wo kommt die IJU her, und was will sie?

Die IJU hat nach Darstellung des Steinberg-Gutachtens ihre Wurzeln in Usbekistan. Dort herrscht seit 1991 der Despot Islom Karimov. Gegen sein Regime kämpft seit 1998 die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU) mit bis zu 2.000 Kämpfern. Sie agierte zunächst aus dem Nachbarland Tadschikistan, dann aus Afghanistan und nach dem US-Einmarsch 2001 aus den paschtunischen Bergen Pakistans. Von der IBU hat sich 2002 die deutlich kleinere IJU abgespalten. Während die IBU weiter auf einen Umsturz in Usbekistan und im Gastland Pakistan setzt, ist die IJU internationalistisch orientiert. Die IJU hat ihr Zentrum derzeit in der pakistanischen Stammesprovinz Nordwaziristan. Anführer soll der Usbeke Majmiddin Jalolov sein.

Wie kommen deutsche Islamisten zur IJU?

Darauf hat Steinberg keine Antwort. Nähere Erkenntnisse wird die Anklageschrift gegen die Mitglieder der Sauerland-Gruppe bringen, an der die Bundesanwaltschaft aber wohl noch bis Herbst arbeitet. Deutsche Sicherheitskreise gehen davon aus, dass die kleine IJU nicht gezielt in Deutschland nach neuen Kämpfern gesucht hat. Eher sind militante Islamisten durch zunächst zufällige Kontakte in den Camps der IJU gelandet.

Wie eng ist das Verhältnis der IJU zu al-Qaida?

Für die IJU ist es naheliegend, ein Bündnis mit al-Qaida zu suchen. So kann sie ihren internationalen Anspruch dokumentieren und ein von der IBU abweichendes Profil entwickeln. Für die überwiegend arabischsprachige al-Qaida sind die radikalen Usbeken dagegen interessant, um besseren Zugang zu türkischen Dschihadisten zu bekommen. Das vermutet Steinberg in einer politischen Zusammenfassung des Gutachtens. Usbeken und Türken sind kulturell und sprachlich verwandte Turkvölker. Verbindungsmann zwischen der IJU und al-Qaida war wohl der Libyer Abu Laith al-Libi. Steinberg nennt ihn den „Taliban- und Zentralasienbeauftragten“ von al-Qaida. Er wurde im Januar dieses Jahres durch eine US-Rakete in Pakistan getötet. Geschwächt durch diesen Schlag, könnte die IJU auch „schnell wieder von der Bildfläche verschwinden“, räsoniert Steinberg. Derzeit sei sie eine „junge, kleine und verhältnismäßig schwache Organisation“.

Welche Rolle spielt Steinberg?

Guido Steinberg arbeitete von 2002 bis 2005 als Terrorexperte im Kanzleramt. Seitdem ist er Wissenschaftler an der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er wird in Terrorprozessen gerne als Gutachter beschäftigt, weil er vor allem mit offenen Quellen im Internet und der Presse arbeitet, während sich Geheimdienstexperten bei ihren Einschätzungen oft auf Quellenschutz berufen. Das 25-seitige Gutachten wurde im März fertiggestellt. Steinberg selbst schreibt von einer „unzureichenden Faktenlage“. Grundsätzliche Zweifel an der Existenz der IJU hält er aber für „Verschwörungstheorien“.

Welche Rolle spielt das Gutachten im Prozess gegen die Sauerlandgruppe?

Eine Verurteilung der drei Islamisten hängt nicht davon ab, dass es die IJU gibt und sie hinter der Anschlagsplanung steckt. Die Gruppe könnte auch als eigenständige terroristische Vereinigung eingestuft werden. Für die Ermittler, die immer von einer Einbindung in die IJU ausgegangen sind, ist es inzwischen aber fast eine Art Glaubwürdigkeitsfrage, dass sich die Existenz der IJU und die Steuerung der Sauerlandgruppe tatsächlich belegen lassen. Zweifelhaft ist hier vor allem die IJU-Erklärung vom 11. 9. 2007, mit der sich die Gruppe zu den Anschlagsvorbereitungen in Deutschland bekannte. Der baden-württembergische Verfassungsschutz zweifelte auch im Februar noch an der Authentizität des Schreibens, z. B. weil es „kein spezielles Täter- oder Gruppenwissen“ aufweise, so seine Stellungnahme für das Gerichtsverfahren. Auch Steinberg schreibt: „Es gibt keinen hinreichenden Beleg, dass es sich tatsächlich um die Hintermänner der Festgenommenen handelt.“ Als „Hintermänner“ der Sauerländer sind bisher nur die regelmäßigen E-Mail-Partner „Jaf“ und „Sule“ bekannt, hinter denen nach durchgesickerten Informationen der Ermittler Gofir Salimov und Suheil Buranow stehen sollen. In Steinbergs Gutachten werden diese aber nicht einmal erwähnt. C. RATH