Gesine Schwan tritt gegen Köhler an

Die SPD wird die Universitätspräsidentin heute wohl als Kandidatin für das Präsidentenamt nominieren. Just zu dieser Zeit taucht ein Brief auf: Schwan soll einem Pharmakonzern gegen Spenden angeboten haben, sein Image zu verbessern

BERLIN dpa/taz ■ Die Linkspartei hat es geschafft: Die Republik wackelt. Ein volles Jahr bevor in Deutschland das Bundespräsidentenamt neu vergeben wird, starten die Parteien in einen Wahlkampf, als beginne gerade die heiße Phase. Der Grund ist nicht, dass heute wohl die Präsidentin der Viadrina, Gesine Schwan von der SPD zur Präsidentschaftskandidatin gekürt wird, wie gestern der bayerische SPD-Chef Ludwig Stiegler schon mal vorab erklärte. Der Grund ist, dass diese Kandidatin eine Chance hat, in der Bundesversammlung gewählt zu werden. Und das erinnert daran, dass es theoretisch eine linke Mehrheit in Deutschland gibt. Und diese Tatsache könnte man vier Monate vor der Bundestagswahl im November 2009 ganz genau sehen: wenn diese Mehrheit nämlich eine Präsidentin Schwan wählte.

Also steigt die Union in den Schützengraben und schießt aus allen Rohren: Wer Schwan mit den Stimmen der Linken wolle, sei auch für eine Koalition mit der Linken offen, suggerierten am Wochenende nicht nur unisono die CDU-Länderchefs. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder nennt die Nominierung Schwans ein „klares Signal für rot-rote Bündnisse“. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla findet, die SPD mache sich „zur Marionette der Linkspartei und der NPD“. Die NPD allerdings will einen eigenen Kandidaten aufstellen.

Aus der zweiten und dritten Reihe wird sogar über das Scheitern der Koalition geunkt. „Wenn die SPD Gesine Schwan nominiert, wäre das ein Bruch in der Koalition“, sagte CSU-Rechtsexperte Norbert Geis. Der Sprecher aller CDU-Landesgruppen, Georg Brunnhuber, erklärte: „Ich glaube nicht mehr, dass die Koalition bis Herbst 2009 hält.“ Und der ehemalige SPD-Vize Wolfgang Clement piesackt wieder einmal die eigene Partei: Die SPD setzte mit einer Kandidatur Schwans „ein politisches Signal, und zwar für ein rot-rotes Bündnis auf Bundesebene“, schrieb er in der Welt am Sonntag.

Die SPD wehrt sich nach Kräften: So wies ihr Generalsekretär Hubertus Heil darauf hin, dass es in der Wahlversammlung „keine Koalitionen“ gebe. Auch SPD-Vize Andrea Nahles sieht in einer möglichen Wahl Schwans mit der Linken „keine Signalwirkung“.

Die kleinen Parteien fühlen sich nun sehr wichtig, warten aber mit ihren Unterstützungsentscheidungen bis nach der Bayern-Wahl im September. Denn nur, wenn die CSU dort merklich verliert, gibt es eine größere Chance für eine linke Mehrheit in der Bundesversammlung. Aber „die grünen Stimmen bekommt niemand automatisch“, stellte Grünen-Chef Bütikofer klar. Und Linke-Chef Gregor Gysi will auch nicht nur als Stimmvieh herhalten: „Wenn die SPD will, dass wir Gesine Schwan mitwählen, gehört es zum Grad der Zivilisation, dass sie mit uns redet“, sagte er.

Derweil muss sich die zukünftige Kandidatin Schwan gegen Vorwürfe der Wirtschaftswoche wehren, sie habe dem Ulmer Unternehmen Ratiopharm gegen eine Spende Unterstützung bei der Verbesserung seines Ansehens versprochen. Schwan bot an, „ein System der good governance und eines öffentlichen ‚Code of Conduct‘ zu stärken, das Ihnen eine uneingeschränkte Glaubwürdigkeit verschafft“, und regte an: „Dazu könnte entscheidend beitragen, dass Ratiopharm bzw. Herr Dr. Merckle – unabhängig von Ihren Geschäftsinteressen und uneigennützig – unsere Humboldt-Viadrina School of Governance mit einem nennenswerten Betrag unterstützen.“ Es klingt, als böte Schwan ihre Arbeit statt gegen ein Honorar gegen eine Spende an. Diese aggressive Spendenwerbung für das bisher unterfinanzierte Projekt Stiftungsuni legt die Wirtschaftswoche, die eher zu den Unterstützern Horst Köhlers gehören dürfte, Schwan nun als „dubiose Methode“ aus. Spenden sollten schließlich ohne Gegenleistungen fließen, werden Juristen zitiert. Allerdings stand dem Unternehmen frei, auf den Handel einzugehen – und lehnte es ab.

Schwan bestätigt den Vorgang in einer Stellungnahme. Sie habe aber gegenüber Ratiopharm als „Grundvoraussetzung“ genannt, dass das Unternehmen „eine klare Trennung zwischen geschäftlichen Interessen (…) und der Unterstützung der Humboldt-Viadrina School of Governance vornimmt“. OES