ROT

2006 „Feder“ Cuvée rot, Rotwein, trocken, Franken, Christian Stahl, Winzerhof Stahl, 6 Euro ab Weingut

Ende April sollte im Weinberg eigentlich längst das vorjährige alte Rebholz von den Rebstöcken entfernt sein, damit die nachwachsenden jungen Triebe Platz haben und sich frei entfalten können. Es gibt aber Winzer, die ewige Nachzügler sind, nie fertig werden und noch immer an ihren Reben herumschneiden, obwohl jetzt der Saft in die Ruten schießt, was dazu führt, dass sie am Schnittpunkt bluten. Je später man im Frühjahr schneidet, desto stärker blutet die Pflanze aus, wodurch sie vorübergehend geschwächt wird. Aber in diesem unterkühlten Frühling geschieht alles verhaltener als gewohnt, weshalb die Nachzüglerwinzer ihren Reben wohl nicht so sehr schaden können. Dem Schneiden folgt das Biegen und Binden. Die Ruten werden nach unten, Richtung Erde gebogen. Aus den Knospen, den sogenannten Augen, wachsen meterlange Triebe heraus, die jeweils zwei bis drei Trauben tragen, die wiederum zahlreiche Beeren besitzen. Das Binden der meist siebenäugigen Ruten kann bis April geschehen, weil beim Biegen ein Saftstau entsteht, der die Kraft der Triebe steigern soll. Die jungen Triebe sind im Mai noch empfindlich, sie brechen bei starker Berührung wie Glas, doch schon einige Wochen später sind sie äußerst biegsam und robust. Die Weinpflanze breitet sich rhizomartig in Erde und Luft, Dunkelheit und Licht aus. Sie ist eine zähe Schlingpflanze, die geradezu unheimlich auf höchste Fruchtbarkeit und Vermehrung programmiert ist, wie Unkraut wuchert und immer nach oben will, in Richtung Sonne und weg von der Erde, doch stets mit dem Boden verbunden bleibt durch ihre langen, dünnen Wurzeln, das biegsame Geäst und den farblosen Saft, der bis hoch in die Spitzen steigt. In ihrer lautlosen wuchernden Ausbreitung geht sie spiralförmig vor, die Triebe gleiten geschickt wie Schlangen im Dickicht des eigenen Blattwerks voran. Vor drei Wochen rief Christian Stahl an, der das Gegenteil eines Nachzüglerwinzers ist und erzählte, dass er gerade mit dem Biegen und Binden im Weinberg fertig geworden sei. Wir sprachen dann ein wenig über den Saftstau der Rebe, weil ich spürte, dass es ihm Freude machte, darüber zu reden. Sein Rotwein ist auch eine Art Saft – ein berauschender. Kein Kunstwerk, aber ein kraftvoller Alltagswein, der Ecken und Kanten hat und sich geschickt dem Massengeschmack verweigert. Kein halbseidener Möchtegernitaliener mit abgeschmacktem Brombeerfeeling, sondern ein roter Franke, dessen ruppige Schwerfälligkeit Charme hat. Wirkt zartbitter, herb, derb, kernig, trocken und schön süffig. Passt gut in diesen komischen Frühling, weil er wärmt und zugleich erfrischt.

Speisen: Schmeckt zu herzhaften Salaten und Aufläufen sowie zu simpler Alltagskost wie Pizza oder Nudeln.

Bezug: Sechserkarton für 40 Euro inkl. Porto und Versand; der Zwölferkarton für 75 Euro. Winzerhof Stahl, Lange Dorfstraße 21, 97215 Auernhofen, Fax (09 84 8) 9 68 98, Tel. 09 11) 52 09 84 8/9 68 96, E-Mail: mail@winzerhof-stahl.de