Kröten retten, Kröten schlucken

betr.: „Hamburg beflügelt die Fantasie“, „Offene Parteibeziehungen“ von Joachim Raschke, taz vom 18. 4. 08, „Schwarz-grüner Klimaschutz“ von Reiner Metzger, taz vom 19. 4. 08

Ob die Koalition der Grünen mit der CDU ein Verrat an Grundsätzen sei, fragt Reiner Metzger und antwortet: „Ja, teilweise.“ Gegenfrage: Haben die Grünen überhaupt noch Grundsätze? Wenn ja, welche?

„Die grüne Partei muss sich bewegen, um nicht selbst zu zerfallen“, erklärt uns Joachim Raschke, und Ulrike Winkelmann weiß, dass das „Fünfparteiensystem […] allen mehr Flexibilität abverlangt“. Sie sieht durch die neue Hamburger schwarz-grüne Mischung gar auch noch die Fantasie beflügelt. Aber wenn vor lauter Flexibilität und Bewegung künftig alle mit allen problemlos können, dann haben wir doch (wie früher die DDR) eine einheitliche nationale Parteienfront mit lediglich ein paar unterschiedlichen Farbtupfern, jedoch nur noch marginalen, nicht echten, substanziellen Unterschieden. Pluralismus ade.

Früher haben sie (die Ökos) Kröten bei deren Wanderungen über Autobahnen und Bundesstraßen geschützt und gerettet – heute schlucken sie sie. Man hört immer öfter (oder ist das zu viel Beflügelung der Fantasie?), dass die Grünen beabsichtigen, ihr altes Logo, die Sonnenblume, zu ersetzen durch eine Kröte, um in kommenden Wahlkämpfen mit dem Slogan zu punkten: „Wir schlucken jede Kröte.“ Vielleicht sollte man Bayerns grünen (halben) Fraktionsboss Sepp Dürr im Hinblick auf die in Bälde anstehenden Koalitionsverhandlungen fragen, ob das stimmt. Oder ist es nach so viel Anpassung und Joschka-Fischer-Realo-Therapie in Wahrheit gar kein Krötenschlucken mehr? Tut man nur noch so, damit der dumme Wähler nichts merkt und noch ein paar Jahre mitmacht?

Und wenn man bedenkt, dass das Wort Kröten gerne auch als Synonym für Moos, Kies und Kohle verwendet wird, ergeben sich noch viel mehr und weitere Perspektiven für einen aufstrebenden grünen Allround-Juniorpartner. BERNHARD SCHINDLBECK, München