Das Geschäft mit der Eitelkeit

Zunehmend mehr Menschen wollen ihr eigenes Leben erzählt, vor allem aber gedruckt sehen. Und sie lassen sich das einiges kosten. Also gibt es „Biografiedienstleister“ wie Rona Schneider aus Bremen, die daraus Kapital schlagen. Schneider bekommt jetzt den ersten Deutschen Biografiepreis

Rona Schneider musste es noch für Ruhm und Ehre alleine machen – denn in diesem Jahr war der am Sonntag auf der Seniorenmesse „66 plus“ in München verliehene 1. Deutsche Biografiepreis noch undotiert. Gewonnen hat ihn in der Kategorie „Privatbiografien“ neben der Bremerin Rona Schneider auch Irene Wahle aus Rostock, die für das Werk „Kandelaber-Heckmann“ geehrt wurde, ein Buch über den Berliner Betriebsingenieur Hans Heckmann, der als Experte für künstliches Licht gilt. Ausgeschrieben hat den Preis das 2004 gegründete „Deutsche Biografiezentrum“, die Vereinigung deutschsprachiger BiografInnen. Im kommenden Jahr ist er bereits mit Preisen im Gesamtwert von fast 60.000 Euro dotiert. Wer ihn zugesprochen bekommt, gewinnt damit Ghostwriting, Lektorat und Produktion einer rund 150-seitigen Privatbiografie in einer Auflage von 30 Stück – Gesamtwert: 15.000 Euro. Für den zweiten Preis bleiben 100 Seiten im Wert von 10.000 Euro, für den dritten immerhin noch 50 Seiten im Wert von 5.000 Euro. Die drei Biografieprojekte werden dann als Abschlussarbeiten der Akademie des Biografiezentrums geschrieben. MNZ

Von JAN ZIER

Paul Schneider führt – nach allem, was man liest – ein eher unauffälliges Leben. Jedenfalls keines, das in einem kommerziellen Verlag einer Biografie für würdig befunden wird. Der Buchmarkt fragt nicht danach. Auch nicht, wenn die Biografin seine Tochter Rona ist. Paul Schneiders Leben ist im Grunde genommen keines, an dem man sich episch abarbeiten müsste. Und doch hat er jetzt, zu seinem 80. Geburtstag, eine 64-seitige Biografie bekommen: „Paul Schneider – Ein Weg durch die Zeit.“ Und die Biografin dafür den ersten Deutschen Biografiepreis.

Das Buch ist ein Geburtstagsgeschenk – als solches also nicht weiter erwähnenswert. Wenn es nicht Ausdruck eines Trends wäre: „Die Nachfrage nach Privatbiografien steigt“, sagt Andreas Mäckler, Laudator und Leiter eines „Zentrums für Biografisches Schreiben“. Sie steigt so sehr, dass „Biografiedienstleister“, wie Mäckler das nennt, ab dem Herbst eine Art Ausbildungsberuf wird.

Rona Schneider ist noch Autodidaktin, eine Quereinsteigerin – wie die meisten in dieser Branche. Vor gut drei Jahren machte sie sich mit einem, nun ja, Verlag für Biografien und Chroniken selbstständig, der sich „epik“ nennt. Eine Ich-AG, aber eine, die „schon sehr erfolgreich“ ist, wie Mäckler sagt. Acht Bücher sind seit 2005 entstanden, zwei sind gerade in Arbeit, und jeden Monat kommen drei neue Anfragen. Nicht immer drehen sie sich um Menschen: Auch die „Kohlhökerstraße 75“ in Bremen hat ein Buch bekommen – ein Auftragswerk – so wie auch das „Sielwärterhaus am Wapelersiel“. 300 Stück wurden davon verkauft.

Irgendwann fing Schneider mal als Leder-Designerin an, musste den Laden nach zwölf Jahren aber zusperren – weil er mehr oder minder illegal war: Maßanfertigungen in Leder durften seinerzeit nur von geprüfter Meisterhand kommen. Rona Schneider hatte nicht mal einen Gesellenbrief.

Später sattelte sie auf Marketing um, machte PR-Arbeit für den 2004 geschlossenen Künstlerinnenhof „Die Höge“. Und sie versteht sich noch immer als Marketingfrau – nicht als „Verlegerin“. Werke wie „Das Gewerbeforum am Bantersee“ sind ja auch – das sagt sie selbst – eher „Imagebroschüren“, bezahlt von Investoren.

Familie Köster hat das Geld für das gleichnamige Buch selbst in die Hand genommen, immerhin gut 20.000 Euro, für eine gebundenes Familienporträt von knapp 100 Seiten. Auflage: 100 Stück. Irgendwie wussten sie wenig über ihre Vorfahren, sagten sie, und als ihr Hof dann 175 Jahre alt wurde, schien es ihnen an der Zeit, all das aufarbeiten zu lassen. 40 Tage hat Schneider recherchiert, „im Idealfall“ werde jeder mit 300 Euro abgerechnet.

Da kommen dann auch mal dunkle Geschichten zum Vorschein, etwa jene vom Großvater, der schon früh in die NSDAP eintrat, hernach sein Geld damit verdiente, die Straßen zu bauen, auf denen der Feldzug nach Russland rollte. Die Enkel wussten all das nicht, sagten sie, und doch steht es in ihrem Buch. Und dass das so ist, sagt Schneider, „das fanden sie gut“.

Das ist nicht immer so. In ihrer eigenen Familie gab es hier und da auch Widerstände, Divergenzen zwischen der Erinnerung des einen, der Verdrängung des anderen. Etwa dort, wo es um den Hitlergruß am Frühstückstisch geht. Und manches, die Todesumstände des Großvaters etwa, erschließen sich nur jenen, die eine Ahnung davon haben. Viele sind das nicht, die Großmutter hat sie stets verschwiegen.

„Jedes Leben ist erzählenswert“, sagt Schneider, und jedes „normale Leben“ sei erzählbar – und, so Mäckler, auch „wert festgehalten zu werden“. Das verstärkt der Wunsch besteht, dies auch zu tun, sagt die 50-Jährige, „hat vielleicht etwas mit dieser schrecklichen digitalen, immer schneller dahin rasenden Welt zu tun“. Dabei ist gerade sie es, die diesen Trend erst möglich macht, die es erlaubt, mittels „Books on Demand“ aus jeder Idee auch ein Buch zu machen – oder, wie in diesem Falle, genau 15. Und zwar auch welche, in denen das Gedicht von Tante Frida zum Familientreffen im Oktober 1970 noch einmal rezitiert wird.