Der Lidl-Überwacher

Joachim Jacob, 69, soll Lidl aus der Affäre ziehen. Früher war er Bundesdatenschutzbeauftragter. Nun will der Discounter, der Mitarbeiter bespitzelte, von ihm ein Datenschutzkonzept FOTO: STEFAN BONESS/IPON

Einen so prominenten Auftritt in der Presse hatte Joachim Jacob schon lange nicht mehr: In mehreren Tageszeitungen prangte am Montag groß das Foto des ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten – allerdings nicht im redaktionellen Teil. Unter den neuesten Angeboten von Schmelzkäse und Stielkoteletts wirbt Lidl in Anzeigen mit Namen und Konterfei Jacobs. Als „Berater“ werde der Datenschutzexperte dem Discounter bei der Aufklärung der Spitzelaffäre zur Seite stehen und „sicherstellen, dass den datenrechtlichen Vorschriften in vollem Umfang entsprochen wird“, hieß es im Begleittext stolz.

Für das 69-jährige FDP-Mitglied ist das Engagement bei einem Privatkonzern ungewohntes Terrain. Bis zu seiner Pensionierung 2003 fungierte der Jurist zehn Jahre lang als oberster Datenschützer der Republik. Er bekämpfte im öffentlichen Auftrag Telefonüberwachung, er kritisierte den Lauschangriff in Privatwohnungen und geißelte kurz nach Dienstende beim Staat das mangelnde „gesellschaftliche Gespür für den Wert der Persönlichkeitsrechte“. In Bamberg geboren machte Jacob eine steile Beamtenkarriere: Sie begann 1966 im Innenministerium, 1975 wechselte er als Vizepräsident ins Statistische Bundesamt. Ab 1989 saß er bei der Datenschutzbehörde in Bonn, mit deren Leitung ihn der Bundestag 1993 beauftragte.

Jacob ist ein leiser Mann, Ideologie ist ihm fremd. Er habe immer „das Machbare zwischen Aufgaben des Staates und Freiheitsrechten des Bürgers“ im Blick gehabt, hat ihm die FAZ attestiert. Sein Pragmatismus hilft ihm wohl bei seinem neuen Job – schließlich sind die Bespitzelungsmethoden des Discounters ziemlich beispiellos. Vergangene Woche traf er die Lidl-Bosse im Firmensitz in Neckarsulm. Schnell war man sich über seinen Beraterjob einig: „Mein Eindruck ist: Die Geschäftsführung meint es ernst mit einem Neuanfang“, sagt Jacob. „Sonst hätte ich die Aufgabe nicht übernommen.“

Am Beispiel einer Filiale will Jacob nun zusammen mit Lidl-Mitarbeitern ein „Idealmodell“ für Datenschutz ausarbeiten. „Wir müssen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem berechtigten Interesse des Unternehmens, sich vor Diebstahl zu schützen, und den Persönlichkeitsrechten der Mitarbeiter finden.“ Für Lidl ist sein Engagement, für das er Honorar bezieht, ein echter PR-Coup. Ernst und seriös schaut Jacob mit randloser Brille und weißem Haar in den Lidl-Anzeigen – so sieht rückhaltlose Aufklärung aus! Lässt er sich instrumentalisieren? „Wenn man so eine Aufgabe annimmt, gehört solche Werbung dazu. Wer meine Arbeit kennt, weiß: Mir geht es um den Datenschutz.“

ULRICH SCHULTE

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