Ein Abgang auf Raten

Simbabwes Hauptstadt ist von der Wahlniederlage Präsident Mugabes überzeugt. Aber wer überzeugt den Präsidenten?

Morgan Tsvangirai (Foto), Führer der oppositionellen „Bewegung für Demokratischen Wandel“ (MDC), hat nach eigenen Angaben die Präsidentschaftswahl in Simbabwe mit 50,3 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gewonnen. Laut Regierungsangaben liegt er bei 48 bis 49 Prozent, womit eine Stichwahl nötig wäre.

Von den 210 Sitzen im Parlament hat die Wahlkommission bis gestern Nachmittag 198 ausgezählt. Demnach hat die bisher regierenden Zanu-PF 93 Sitze und die oppositionelle MDC 96 Sitze. Die unabhängige Webseite www.zimelectionresults.com hingegen gibt der MDC 99 Sitze, der Zanu-PF 95 und andere 12 Sitze. 3 der 210 Sitze können noch nicht vergeben werden, weil Kandidaten vor der Wahl verstorben sind.

VON SHAKEMAN MUGARI
(HARARE) UND MARTINA SCHWIKOWSKI (JOHANNESBURG)

In den Straßen von Harare ist die Meinung einhellig: Simbabwe bekommt eine neue Regierung. „Mugabe hat verloren“, sagt Tapera Maruta, ein Schullehrer in einem Vorort der Hauptstadt. „Die Simbabwer haben ihn abgelehnt.“ Hier und da wird schon der Machtwechsel gefeiert. Aber überall steht bewaffnete Polizei. Sie ist in großer Zahl ausgeschwärmt in Erwartung möglicher Unruhen, sollte Präsident Robert Mugabe doch zum Wahlsieger erklärt werden.

Die Mehrheit im Parlament hat Mugabes Regierungspartei Zanu-PF (Afrikanische Nationalunion von Simbabwe – Patriotische Front) schon eingebüßt, wie die Wahlkommission gestern am späten Nachmittag bestätigte. Tsvangirais Partei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel) hatte zuvor auf einer Pressekonferenz verkündet, ihr Kandidat habe auch die Präsidentschaftswahl gewonnen, mit 50,3 Prozent im ersten Durchgang gegen 43,8 Prozent für Mugabe. Damit sei Tsvangirai der gewählte Präsident. Man sei aber auch zu einer Stichwahl bereit, sollte die Wahlkommission zu einem anderen Ergebnis kommen.

„Wir bestehen darauf, dass wir diese Präsidentschaftswahl direkt gewonnen haben, ohne Notwendigkeit einer zweiten Runde“, sagte MDC-Generalsekretär Tendai Biti. „Jetzt warten wir, ob die Wahlkommission bestätigt, worauf die Staatsmedien bereits die Öffentlichkeit vorbereiten, nämlich eine Stichwahl in 21 Tagen. In diesem Fall werden wir zu der Stichwahl antreten. Aber wir hoffen, dass jemand einsieht, dass die Stichwahl keinem Zweck dient, außer gewisse ältere Herrschaften zu blamieren.“

Schon die staatliche Tageszeitung The Herald hatte gestern früh auf der Titelseite gemeldet, Simbabwe stehe vor einer Stichwahl, weil Tsvangirai im ersten Durchgang 48 und Mugabe 43 Prozent erhalten habe. Dies entspricht unabhängigen Schätzungen. Ein dritter Kandidat, Simba Makoni, liege bei 8 Prozent.

Informationsminister Bright Matonga wies die MDC-Erklärung sofort zurück. „Sie versuchen, die Regierungspartei zu provozieren. Es ist falsch. Sie müssen die Ergebnisse abwarten.“

Die Aussicht auf eine Stichwahl gegen einen Tsvangirai, der nur knapp unter der Schwelle der absoluten Mehrheit liegt, sorgt für Streit in der regierenden Zanu-PF. Eine Fraktion will, dass Mugabe seine Niederlage eingesteht und sofort geht, eine andere will, dass er bis zur Stichwahl durchhält. Und eine dritte Fraktion insistiert, Mugabe müsse um jeden Preis jetzt zum Wahlsieger erklärt werden.

Die Wahlkommission hat noch immer keine Zahlen über die Präsidentschaftswahlen vorgelegt, was Spekulationen befördert, es sei Wahlfälschung im Gange. Spekuliert wird auch über angebliche Gespräche zwischen Zanu-PF und der Opposition über einen friedlichen Rückzug Mugabes von der Macht. Es soll dabei darum gehen, welche Garantien der scheidende Präsident in Bezug auf seine Immunität erhält.

Die Opposition dementiert. „Es gibt keine Gespräche. Das ist bloß Spekulation“, sagte Tsvangirai gestern. Aber die Verhandlungsoption wird von der internationalen Gemeinschaft bevorzugt. „Was zählt, ist eine geordnete Übergabe der Macht, und wenn Robert Mugabe einen sicheren Abgang braucht, dann kann die internationale Gemeinschaft ihm das einräumen“, sagte gestern Peter Hain, hochrangiger Politiker der regierenden Labour-Partei in Großbritannien. „Eine afrikanische Lösung für diese Krise ist das, was am Ende gebraucht wird.“ Südafrikas Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu sprach sich auch für „irgendein“ Abkommen aus, egal welches: Es müsse Blutvergießen und Konflikt verhindern. Er sprach auch davon, internationale Friedenstruppen nach Simbabwe zu schicken.

Die internationale Haltung gründet sich darauf, dass kaum jemand glaubt, dass Mugabe sich sonst einer Niederlage fügt. „Es ist unwahrscheinlich, dass Mugabe an einem neuen Wahlgang interessiert ist“, sagt Cheryl Hendricks, Mitarbeiterin in Südafrikas führenden Politikinstitut ISS (Institut für Sicherheitsstudien). „Er würde nicht gewinnen. Mit Sicherheit hat die Oppositionsführung mit der Regierungspartei schon gesprochen, aber die Sicherheitskräfte sind gespalten. Die Chefs der Armee können sich nicht einigen, wie die politische Lösung für Mugabe aussehen soll.“

Klarheit, das scheint die Mehrheitsmeinung auf den Straßen von Harare zu sein, kann nur ein zweiter Wahlgang schaffen. „Mugabe muss sich einer Stichwahl stellen, damit er sieht, dass die Leute ihn nicht wollen“, sagt Roby Ngoni, ein MDC-Aktivist, der schon die Fahne seiner Partei schwenkt. Aber es gibt auch Regierungsanhänger, die um ihre Zukunft fürchten.

Morris Garwe, der im Rahmen der Enteignung weißer Großfarmer Land bekommen hat, meint: „Woher weiß ich, dass ich mein Land jetzt nicht wieder verliere?“