berliner szenen Beton im Gemüt

Menschliche Überreste

U. ist eher der phlegmatisch-wortkarge Typ und betreibt in Brandenburg eine Firma für Baustoffrecycling. Probleme hält er sich vom Leib, vor allem solche, über die man reden muss. Das geht meistens schief. In der Kaffeepause erzählte mir Kollegin F., neulich habe er beim Umgraben des Gartens ein Skelett gefunden. So was kommt vor auf dem Land, zumindest Skelette von Hunden, Katzen oder Wildschweinen. Diesmal seien es aber menschliche Überreste gewesen, gut erhaltene dazu. Auch das ist nichts Ungewöhnliches, denn U.s Grundstück liegt an einem Friedhof. Die Bodenerosion schert sich nicht um die Totenruhe.

Allerdings sah U. Scherereien auf sich zukommen: Telefonate mit Ämtern, Fragen von Nachbarn und vor allem vom Dorfpolizisten. Also brachte er die Knochen auf seinen Werkhof. „Der wollte das Skelett in der Schottermaschine verarbeiten“, so F., „doch ich hab ihn überredet, es dem Amt für Denkmalpflege zu melden.“ Sie wollte die Adresse e-mailen, das Problem war nur: „Seiner Frau hat er nichts erzählt, und sie teilen sich ein E-Mail-Account!“ Was sollte sie in die Betreffzeile schreiben? „‚Leichen pflastern seinen Weg‘ wohl eher nicht“, überlegte ich laut, und da F. fürchterlich die Augenbrauen verrenkte, schlug ich schnell „Unterm Birnbaum“ vor. „Um Gottes Willen, seine Frau kennt Fontane fast auswendig!“, warf F. ein.

Schließlich kamen wir auf „Beton im Gemüt“. Das passte nicht nur berufs- wie charaktermäßig, sondern stammte aus einem Element-of-Crime-Song: „Leichen im Keller, Beton im Gemüt“, und so weiter. „Hast du eigentlich U.s Frau in letzter Zeit mal gesehen?“, fragte ich dann noch. „Nö, er meint, sie ist krank und bleibt erst mal zu Hause.“

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