Wenig reuige Steuerflüchtlinge

Nach den Liechtenstein-Razzien sind bisher nur 150 Selbstanzeigen eingegangen. Neuer Informant bietet den Ermittlern Daten über 30.000 Konten in der Schweiz an

BOCHUM/BERLIN taz ■ Nach Liechtenstein könnte nun die Schweiz ins Zentrum der Steueraffäre rücken. Nach Angaben des baden-württembergischen Finanzministers Gerhard Stratthaus (CDU) hat ein Informant den Finanzbehörden seines Landes Datensätze über 30.000 in der Schweiz geführte Konten deutscher Staatsbürger angeboten. Diese enthielten Hinweise auf Steuerhinterziehung von Kapitalanlegern aus ganz Deutschland, so der Informant, dessen Identität bislang unklar ist.

Finanzexperten schätzen, dass in der Schweiz deutsches Schwarzgeld von bis zu 170 Milliarden Euro verwaltet wird. Zwar besteuern die Eidgenossen Kapitalerträge deutscher Anleger anonym. Besteuert würden aber nur private, nicht aber juristische Personen, sagte Stratthaus den Stuttgarter Nachrichten. Deshalb sei es „ein Leichtes, diese Steuern zu umgehen“. Noch sei aber unklar, ob der anonyme Informant, der sich in Kürze wieder bei den Behörden melden wolle, tatsächlich über brisante Daten verfüge.

Sollte der Unbekannte aber tatsächlich über Details zu 30.000 Konten verfügen, erhielte die Affäre, die sich bislang auf Steuerhinterziehung über liechtensteinische Banken konzentriert, eine völlig neue Dimension. „Schon die wenigen hundert Datensätze, die uns vorliegen, haben für ein mittleres Erdbeben gesorgt“, so der Sprecher der in Sachen Liechtenstein federführenden Staatsanwaltschaft Bochum, Oberstaatsanwalt Eduard Güroff, zur taz. „Sollten den baden-württembergischen Behörden tatsächlich Informationen auf tausende Konten vorliegen, würde die Schweiz in diesem Skandal versinken.“

Manche Steuerfahnder vermuten deshalb, Stratthaus wolle lediglich den Druck auf Bundesbürger erhöhen, die Steuern nicht über Liechtenstein, sondern über die Eidgenossenschaft hinterziehen: Der Bochumer Staatsanwaltschaft liegen in Sachen Liechtenstein bislang nur rund 150 so genannte Selbstanzeigen vor. Die bislang überprüften Stiftungen deutscher Staatsbürger haben ein Volumen von rund 200 Millionen Euro. Bei den Fahndern wie bei der ebenfalls ermittelnden Finanzverwaltung Wuppertal haben Steuerhinterzieher deshalb bisher Kautionen und Abschlagszahlungen in Höhe von etwa 30 Millionen Euro geleistet.

Die über 80.000 deutschen Steuerberater haben nach der Liechtenstein-Affäre eigenen Aussagen zufolge keine Auswirkungen bemerkt. „Es gibt keinen Run von reuigen Steuersündern auf unsere Büros“, sagte Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer am Mittwoch in Berlin. Die bisher getätigten Selbstanzeigen seien nicht spürbar. Wenn ein Steuerhinterzieher zur Beratung komme, „haben wir die Pflicht, ihn wieder in die Steuerlegalität zurückzuholen“, so Vinken. Das sei durch das Amnestiegesetz möglich. Vinken machte deutlich, dass es eine klare Trennlinie zwischen illegaler Steuerhinterziehung und legaler Steuergestaltung gebe. „Unsere Steuerberater würden sich ja strafbar machen, wenn sie Beihilfe leisten würden.“ ANDREAS WYPUTTA, P. WRUSCH