streikwege
: Mit der S-Bahn durch Mitte

Der dritte Tag des BVG-Streiks ist angebrochen. Von Chaos oder unkontrollierten Gefühlsausbrüchen gibt es aber keine Spur – auch nicht bei mir.

Im Selbstversuch lasse ich mein Fahrrad stehen und mache mich zu Fuß und per S-Bahn zum Potsdamer Platz auf. Das Notbussystem vergesse ich nach einem Blick auf den Fahrplan der BVG-Website: Ein Pixelbrei mit lilafarbenen Strichen und der Anmerkung: „Beachten Sie, dass die genannten Linien unregelmäßig verkehren.“ Aha.

An der Kastanienallee laufe ich los – keine Veränderung festzustellen: Schicke Mitte-Leute mit Pappbechern in der Hand schlendern umher. Voller ist es am Rosenthaler Platz. Ein Menschenstrom hastet in Richtung S-Bahnhof Hackescher Markt.

Gähnende Leere hingegen herrscht an den Taxihaltestellen. Die S-Bahn fährt im gefühlten Minutentakt, erst an der Friedrichstraße ist es wirklich voll. „Jetzt, so gegen zehn, geht es ja. Richtig voll ist es, wenn ich den Laden aufmache um halb sechs“, erzählt Angelika Frahm, die in einem Kiosk am Bahnsteig der Linie S 1 arbeitet und Zeitschriften verkauft.

Stoisch und resigniert schieben sich Berliner und Touristen durch das S-Bahn-System. Viele ziehen einen Trolley hinter sich her. „Na ja, es muss ja gehen“, ist der Tenor. Erst als auch noch eine Rolltreppe stehen bleibt und sich von oben und unten zugleich Menschen hindurchquetschen, fluchen manche leise.

Den Bahnangestellten ist das bewertende Auskunftgeben von oben untersagt. „Stimmung? Wat soll ick denn für ’ne Stimmung haben? Ick bin stimmungslos“, brummt einer von ihnen. Ein Mann hinterm S-Bahn-Schalter findet es nicht gut, dass auch bei ihnen gestreikt werden soll: „20 Prozent Lohnerhöhung zu fordern finde ich überzogen.“

Vorm Museum am ehemaligen Checkpoint Charlie frage ich einen jungen Mann in Uniform, ob ein Notbus in Richtung Norden fährt – irgendjemand muss doch mal was wissen. „Immer geradeklaus?“, witzelt er und dann: „Nö. Aber wat willst du ’n da?“ Er zwinkert mir zu. Da hilft nur: Durchatmen – und stoisch weiterlaufen. KATHARINA BUESS