Vier gegen Beck

AUS BERLIN KAI SCHLIETER

Wenn der aktuelle Frontmann der Sozialdemokraten in den Spiegel schaut, dann sieht er seinen dicken Hals: vereiterte Mandeln. Wenn Kurt Beck den Spiegel liest, dann dürfte sich sein Zustand nicht verbessern: Putschpläne gegen seine Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur. Das Nachrichtenmagazin verbreitete, es gebe eine Verschwörung gegen den Parteivorsitzenden. Finanzminister Peer Steinbrück, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Brandenburgs Ministerpäsident Matthias Platzeck und Becks Vorvorgänger Franz Müntefering (alle SPD) hätten intern die Kanzlerfrage der Partei entschieden. Sie sollen abgemacht haben, Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten zu kürzen. Beck müsse als Kanzlerkandidat verhindert werden.

Das Dementi des Viererpakts ließ nicht lange auf sich waren: „Unsinn“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier dazu. „Ich kann mich nicht erinnern, dass in diesen Tagen die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur angestanden hätte.“ Ein echtes Dementi gegen den Plan, Beck solle nicht Kanzlerkandidat werden, ist das nicht.

Auch Matthias Platzeck, Vorgänger Becks und diesem alles andere als wohl gesonnen, ließ den Plan der Viererbande dementieren – und griff Kurt Beck sogleich frontal an. Wer in der SPD glaube, sagte er über Becks, „der Linkspartei hinterherlaufen zu müssen, der riskiert, dass wir für jeden Wähler, den wir am linken Rand vielleicht gewinnen können, zwei, drei oder vier Wähler in der gesellschaftlichen Mitte verlieren“. Platzeck warf Beck sogar vor, sich mit Wirrköpfen einzulassen. Im Moment sehe er, Platzeck, viel Wirres bei der Linkspartei im Westen, darunter auch „unakzeptables Gedankengut“, sagte Platzeck der Zeitschrift Super Illu.

Auch der dritte vermeintliche Verschwörer ließ seinem Vorsitzenden keine Atempause. Steinbrück sagte zu Becks Umgang mit der Linkspartei. „Eine solche Entwicklung“ müsse „intern besser kommuniziert und vorbereitet werden“. Auch wenn er dem Beschluss zu einer vorsichtigen Öffnung zur Linkspartei zugestimmt habe, sei er im konkreten Fall Hessen dagegen.

Heute kommt der SPD-Parteirat in Berlin zusammen. Dabei dürfte, obwohl Kurt Beck weiterhin krank und daher abwesend ist, die Debatte erst richtig losgehen. Parteiratsmitglieder übten massive Kritik an den Verschwörern. Hermann Scheer sagte, Steinbrück nutze die Situation Becks gezielt aus. (siehe unten). Der SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, warf Steinbrück Illoyalität vor. „Wenn der Vorsitzende krank ist, dann haben seine Stellvertreter die Aufgabe, ihn zu vertreten, nicht zu treten“, sagte Stegner den Lübecker Nachrichten. Angebliche Pläne, die aktuelle Debatte zu nutzen, um eine Kanzlerkandidatur Becks zu verhindern, stufte Stegner als „vollständig chancenlos“ ein. „Kurt Beck ist und bleibt unser Vorsitzender“, betonte auch Umweltminister Sigmar Gabriel. „Wer einen Karren ziehen soll, der muss sich auch in Krisensituationen auf die Loyalität seiner Leute verlassen können.“

Platzeck müsse erst einmal deutlich machen, was er mit dem „obskuren Begriff“ der Mitte eigentlich meine, sagte der Parteilinke Ottmar Schreiner der taz. Im Umgang mit der Linkspartei machten „Tabuisierungen keinen Sinn“. Schreiner stellt Steinbrück vor die Alternative falsch oder doof. Er könne sich nicht vorstellen, dass die vier einen Plan zum Umsturz ausgeheckt hätten. „So dumm kann keiner sein“, sagt er der taz.

In den Umfragen liegt Steinmeier inzwischen knapp vor Kurt Beck. Emnid ermittelte im Auftrag der Bild am Sonntag 22 Prozent der Befragten, die Außenminister Steinmeier als den aussichtsreichsten SPD-Kanzlerkandidaten sehen. 20 Prozent nannten Beck als stärksten Kandidaten, 16 Prozent Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Mit dpa, AFP