Hamburg bald ohne Klinker

Wegen der anstehenden Wärmedämmung für den Klimaschutz drohen die roten Fassaden unter Putz zu verschwinden. Baufachleute befürchten, dass sich die Stadt schleichend verändert und dabei ihr Gesicht verliert

Die Häuser sehen aus, wie in Mäntel gesteckt: Ihre Fassade ragt über den Sockel hinaus, ihre Fenster liegen in Höhlen und sind bisweilen zu Sehschlitzen verengt. Das mag dem Klimaschutz frommen – ästhetisch ist es jedoch ein Grauen, weshalb sich eine lange Reihe von Institutionen und Persönlichkeiten aus dem Bereich des Bauwesens mit einem Alarmruf an die Öffentlichkeit gewandt haben. Durch „unabgestimmte Gebäudemodernisierungen“ drohe sich „die für Hamburg typische Dualität der Putz- und Klinkerquartiere unkontrolliert aufzulösen“, warnen sie unter Führung der Fritz-Schumacher-Gesellschaft.

Schumacher als ehemaliger Oberbaudirektor hat zusammen mit dem Architekten Gustav-Oelsner seit den 20er Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass heute Ziegelfassaden viele Quartiere Hamburgs prägen. Viertel aus den 20er und 30er Jahren wie die Veddel, der Eberthof in Ottensen oder die Jarrestadt in Winterhude stehen dafür ebenso wie die Gelbklinker-Bauten aus den 50er Jahren wie die Grindelhochhäuser.

Solche Bauten sind meilenweit von modernen Wärmeschutzstandards entfernt. Zugleich steckt in der Heizung ein großes Energieeinsparpotenzial. Eine Modernisierung des Gebäudebestands soll daher maßgeblich dazu beitragen, den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken.

Der einfachste und billigste Weg, den Heizenergieverbrauch zu senken, ist das Einpacken. Damit verändern sich aber die Proportionen der Fassaden, der Backstein verschwindet unter Putz und mit ihm sorgfältig ausgewählte Ziegel, Terrakotta-Zierrat und kunstvoll gemauerte Muster.

Die Architekten, Planer und Architekturkritiker fordern deshalb eine Institution, die einen Ausgleich zwischen dem Wärmeschutz und der Baukultur herbeiführt. Es sollten ganze Quartiere geschützt werden. Jedes Modernisierungsprojekt müsse auf seine Verträglichkeit geprüft werden. Ein Praxishandbuch solle Know-how zur pfiffigen Modernisierung vermitteln.

Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko (CDU) will den Ball aufgreifen und demnächst mit interessierten Architekturbüros über das Problem sprechen. Außerdem solle der zweijährig vergebene Architekturpreis für Sanierung im Bestand 2008 die vorbildliche Sanierung eines Rotklinkerhauses würdigen, kündigte eine Behördensprecherin an. GERNOT KNÖDLER