Löcher im Prekariat

Eigentlich könnte man zur neuen „Die Türen“-Platte „Popo“ prima bügeln. Wenn da nicht die sarkastisch-bösen Texte wären. Heute Abend stellen die Berliner Prekariats-Popper ihr neuestes Werk im Hafenklang-Exil vor

Musikalisch kann man „Popo“, das dritte Album der Berliner Band „Die Türen“, ruhig ein bisschen artig finden: Es groovt gediegen schwungvoll mit Offbeats und Boogierhythmen ca. eine Stunde dahin, manchmal plätschert es auch balladesk wie ein hübscher kleiner Bach. Stets behände oszillierend zwischen Soul, Funk, Disco, Ska, Easy Listening, etwas Indie-Pop und einer Prise Feier-Electro. Anders als ihre Vorgänger beißt diese Platte nicht, macht keine Zicken, prollt nie und albert selten rum. Fast könnte man diese zwölf Songs zum Bügeln laufen lassen. Wenn da nicht die interessanten Texte wären.

Man hört gespannt hin und könnte deshalb leicht vergessen, das Bügeleisen zu bewegen. Hey, riechst du das auch? Löcher sind nicht das schlechteste Stichwort. Denn „Die Türen“ wissen: „Kunst ist die Cousine der Arbeitslosigkeit.“ Und: „Pause machen ist nicht / Sonst bist du arbeitslos und pleite.“ Aber auch: „Nutze die Zeit, deine Existenz zu bauen / Wenn du tot bist, geht das nicht mehr.“ All das hätten wir selbstverständlich auch gewusst. Doch den „Türen“ geht es ja nicht darum, neue Erkenntnisse unter die Leute zu bringen. Oder vielleicht doch?

Zumindest scheint die Textform, in der sie tun, was sie tun, nicht völlig abgenutzt. Es ist die Form der Farce, wie wir sie auch von einigen Texten der „Goldenen Zitronen“ kennen. Das scheinbar überflüssige Wiederholen völlig abgegriffener Einsichten, vorgetragen in betont schnoddrigem oder Ernsthaftigkeit vorgaukelndem Ton sind die rhetorischen Schmiermittel der „Türen“. Anders gesagt: Allgemeinplätze des Kapitalismus wollen spielerisch überzogen präsentiert werden, bis weh tut, was man eigentlich schon nicht mehr spürte.

Ganz undidaktisch ist das nicht und politisch sowieso. Mit bitterem Spaß beharren sie mitunter auf einer bildhaften Dialektik materialistischer Ironie: „Sei nicht traurig / Das letzte Hemd hat keine Taschen / Sei nicht traurig / Da ist immer noch genug Pfand auf den Flaschen.“

Und so ist „Popo“ exakt das, wofür man es halten soll: Kein DGB-Sound wie der Spiegel vermutete, sondern ein in tückisch gute Laune gepackter, hoffnungsloser bis sarkastisch böser Blick auf die Welt, wie wir sie kennen und nicht zwingend lieben. Und natürlich sind sich „Die Türen“ selbst nahe genug, um die „eigene“ kleine Welt nicht zu vergessen. Es ist die Welt, in der auch Bands wie „Britta“, „Superpunk“, Knarf Rellöm oder Rocko Schamoni zu Hause sind. Die Welt subkultureller Bohemiens und anderer Vertreter des durch Diskurs-Pop und Uni gebildeten Prekariats. Typisch für diese Welt sind nicht nur Löcher im Portemonnaie, sondern auch eine andauernde Spannung zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen tendenziell spießigen Lebensentwürfen und einem Beharren auf individueller und kollektiver Subkultur-Hipness. Selbstreflexiv ironisch, mit einem gespielten Unterton unterkühlter Hysterie singt Maurice Summen: „Hey, cooler Laden! / Gleich spielt ’ne neue No-Wave-Band / Die kenn ich aus dem ‘Intro‘-Magazin. Single der Woche im ‚NME‘!“ Hingehen will man trotzdem. Aber wenigstens mit der richtigen Haltung. MICHAEL SAAGER

Do, 28. 2., 21 Uhr, Hafenklang, Große Bergstraße 178