Schauspieler mit pikanter Hauptrolle

Er spielte immer nur Nebenrollen. Doch die Hauptrolle, die er jetzt bekommen hat, dürfte seine letzte sein. Edison Chen, 27, Hongkong-Kanadier, war ein jugendlich wirkender, aufstrebender Schauspieler. Er hatte sogar schon in Hollywood gedreht. Doch heute ist er nur noch Sexidol, und zwar eines, an dem sich Medien und Massenpublikum heute berauschen, nur um es morgen moralisch angewidert zu verurteilen.

Chen machte vor ein paar Wochen einen Fehler. Er brachte seinen Laptop in Hongkongs volksrepublikanischer Nachbarstadt Shenzhen zur Reparatur, ohne vorher seine intimen Aufnahmen mit sieben weiblichen Schönheiten der Hongkonger Film- und Popszene zu löschen. Wenig später zirkulierten die Fotos im Internet. Hongkonger Zeitungen druckten sie leicht retuschiert nach, ihre Kritiker nannten das Pornografie. Jedenfalls schienen sich die Hongkonger Medien wochenlang mit keinem anderen Thema zu befassen, während jenseits der Grenze in Shenzhen Raubkopien der Fotos auf den Schwarzmarkt kamen. Chen konnte nichts dagegen tun: „Ich bitte euch, den Opfern zu helfen und nichts noch schlimmer zu machen“, bettelte er auf seiner Webpage.

Dabei spielte er schon wieder den Macho: Die Opfer seien die Frauen, nicht er, ließ er indirekt wissen. Wie um das zu bestätigen, sagte später eine seiner Sexgefährtinnen, sie sei dumm und naiv gewesen. „Unsere Gesellschaft erwartet vom Mann, nicht zu viele Sexpartner zu haben, doch Chens Lage ist besser als die der weiblichen Schauspielerinnen“, kommentierte der Hongkonger Kulturanthropologe Chan Shun-hing.

Der Skandal ging noch weiter. Ein Hongkonger Bürger wurde für zwei Wochen hinter Gitter gebracht, weil er Chens Fotos im Internet weitergeleitet hatte. In Shenzhen wurden gleich zehn Personen festgenommen, die die Aufnahmen angeblich auf CDs kopiert und diese verkauft hatten. Was das Geschäft mit Chen und Sex natürlich nicht aufhielt. Man hörte von Schwarzhändlern, die ihren Kunden nur den kantonesischen Vornamen Chens „Guanxi“ ins Ohr flüstern. Zudem stritten nun die seriöseren Medien in Hongkong über den Schutz der Privatrechte wider die Freiheit im Internet.

„Künstler werden im Westen für ihre Talente bewundert. Dagegen werden Popstars in Hongkong wie Götter und Göttinnen verehrt“, klagte der demokratische Hongkonger Abgeordnete Albert Cheng. Aber lassen sich Götter verurteilen? Vielleicht fühlen sich am Ende alle schuldig. Hongkonger Soziologen kritisierten den kollektiven Voyeurismus ihrer Mitbürger. Doch dürfte das für Chens Rehabilitierung kaum ausreichen. Er hat seine Gottheit vögelnd verloren. GEORG BLUME