Bitte kein Erdöl mehr auf die Haut

Das Umsatzvolumen für Naturkosmetik hat sich in Deutschland verdoppelt. Auf der Vivaness präsentiert die Branche ihre neuen Entwicklungen

VON ANGELIKA FRIEDL

Naturkosmetik boomt. Eine eigene Messe, die Vivaness in Nürnberg, unterstreicht die steigende Bedeutung des Marktes für natürliche Kosmetikartikel. Denn seit 2003 hat sich zur Freude der Branche das Umsatzvolumen in Deutschland beinahe verdoppelt und liegt jetzt bei rund 650 Millionen Euro. Die Vivaness findet dieses Jahr bereits zum zweiten Mal statt. Vom 21. bis 24. Februar drängen sich 180 Aussteller in der Messehalle 7a. Glasfenster lassen viel Licht in die Halle und die Trennwände der Stände sind in strahlendem Weiß gehalten. Alles sieht edel aus und wirkt trotzdem nicht steif. An „Schnupperbars“ können sich die Besucher ätherische Öle zur Nase führen, sie können sich schminken lassen oder sich mit Kämmen aus Buchenholz die Haare durchbürsten.

Einen neuen Trend erkennt Udo Funke, der Projektleiter der Messe. „Zwei Richtungen sind aus unserer Sicht besonders auffällig. Die Hersteller rücken die sogenannten Silver oder Best Ager, also die jung gebliebene ältere Generation in den Fokus. Zudem stellen wir fest, dass auch die junge Generation bei den Herstellern zunehmend Beachtung findet.“ Auf der anderen Seite haben die Hersteller auch ihre Produktpalette erweitert. Fast alles, was die konventionelle Kosmetikindustrie an Schönheits- und Pflegeprodukten im Arsenal hat, wird mittlerweile von der ökologischen Konkurrenz angeboten.

So präsentiert zum Beispiel eine griechische Firma in Nürnberg eine neue Babypflegeserie. Auch die Zukunftsaussichten für Naturkosmetik sind rosig. Einen Marktanteil von 10 Prozent prophezeit das Marktforschungsunternehmen Organic Monitor deutschen Herstellern für die nächsten Jahre. Der Markt für konventionelle Kosmetik schwächelt dagegen zurzeit.

Seitdem kaufkräftige Kundschaft und Hollywood-Größen zu Kosmetikartikeln aus der Natur greifen, kann man die Produkte nicht nur in Biomärkten und Reformhäusern erwerben – auch Edelkaufhäuser wie das KaDeWe in Berlin leisten sich nun Gesichtswasser und Duschbalsam von Dr. Hauschka. Sogar in Paris und Mailand sind Weleda und Annemarie Börlind in eigenen Flagship-Stores vertreten.

Was ist nun das Besondere in den Tiegeln und Töpfchen? Die Inhaltsstoffe sollen zum einen verträglicher für die Haut als herkömmliche Waren sein. Naturkosmetik unterscheidet sich aber vor allem durch die natürlichen Rohstoffe von der Konkurrenz, die auf synthetische Herstellung vertraut. Und unter anderem Paraffin verwendet, ein Abfallprodukt von Erdöl. Das macht die Haut zwar weich und geschmeidig, trocknet sie leider aber auch aus und lässt sie nicht atmen.

Ein weiteres Thema auf der Vivaness sind die Firmen, die mit sogenannten naturnahen Produkten Käufer umwerben. Denn der gestiegene Umsatz von Naturkosmetik ruft viele Nachahmer auf den Plan, die zum Beispiel natürliche Aloe Vera verwenden, aber gern auch synthetische Konservierungsmittel sowie Farb- und Duftstoffe dazumischen. „Es steht zu befürchten, dass durch den Einstieg großer Kosmetikkonzerne die Standards verwässert werden“, meint Karin Heinze vom Online Magazin Bio-Markt Info. Denn die Zertifizierungsrichtlinien des BDIH (Bund deutscher Industrie- und Handelsunternehmen) für Naturkosmetik lassen einen gewissen Spielraum zu. So stehen Naturkosmetika mit BDIH-Siegel preisgünstig im Drogeriemarkt und sogar beim Discounter und konkurrieren mit den hochwertigeren Markenprodukten im Fachhandel.

Viele Verbraucher kennen weder die klassischen Marken echter Naturkosmetik noch das Prüfzeichen des BDHI, obwohl es bereits auf rund 3.000 Artikeln zu finden ist. Um das Siegel kontrollierte Naturkosmetik zu erhalten, müssen die Firmen ihre Rezepturen und die verwendeten Rohstoffe offen legen, die soweit als möglich aus kontrolliert ökologischem Anbau stammen sollen. Weitere Kriterien sind umweltverträgliche Verpackungen, keine Gentechnik und das Verbot von Tierversuchen. Allerdings: Unternehmen können sich mit dem Gütesiegel schon schmücken, wenn nur 60 Prozent ihrer Produkte die Kriterien erfüllen. Auch einen EU-einheitlichen Standard gibt es bislang nicht. Der englische Verband Soil Association, Ecocert aus Frankreich, AIAB aus Italien sowie der deutsche Verband ringen seit Jahren um gemeinsame Regelungen. „Es besteht jedoch die Hoffnung, dass das dieses Jahr endlich gelingt“, erklärt Karin Heinze.

Noch in einem wichtigen Punkt unterscheiden sich Naturkosmetika von herkömmlichen Kosmetikfirmen: Die Hersteller wollen ihre Rohstoffe nach den Richtlinien des fairen Handels beziehen und fühlen sich dem Umweltschutz verpflichtet. „Wir bieten jungen Kooperativen und Anbauprojekten garantierte Mengenabnahmekontrakte und Langzeitverträge an“, sagt Ute Leuber, Geschäftsführerin von Primavera. Wild wachsende Pflanzen sollen nicht in großen Massen gesammelt werden, Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel sind verpönt. In den rumänischen Karpaten unterstützt die Weleda AG ein Artenschutzprojekt des World Wildlife Fund (WWF), um wilde Arnikablüten kontrolliert sammeln zu können. Alles in allem: Es wird einiges getan, um ökologisch bewussten Kunden nicht nur ein gutes Aussehen, sondern auch ein gutes Gewissen zu verschaffen.

Weitere Informationen: www.vivaness.de