Gewissen oder Lifestyle?

Mit dem Bioboom wächst auch das Interesse an der Motivation der Biokunden. Deren Kaufentscheidung ist nur zum Teil vom Umweltbewusstsein geleitet

Nicht nur Gesundheitsbewusstsein und Geschmacksansprüche lassen Verbraucher zu Bioprodukten greifen, sondern auch die eigene Identifikation mit einer bestimmten Käufergruppe. Die Gruppenzugehörigkeit als „Biokäufer“ oder „Umweltschützer“ erfolgt nach der eigenen Einschätzung der Kunden. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die niederländische „Nature and More“-Stiftung in Auftrag gegeben hat. „Uns ging es darum, den deutschen Michel kennenzulernen“, erklärt der Direktor der Stiftung, Hugo Skoppek.

Über das Internet wurde zweimal ein Querschnitt der Bevölkerung befragt, vom Supermarktkäufer bis zum Bioladenkunden. Ein Drittel der Verbraucher gibt weniger als 10 Euro pro Monat für biologische Lebensmittel aus, zehn Prozent hingegen noch mehr als 40 Euro. Großstädter zwischen 40 und 60 Jahren waren demnach bereit, mehr Geld für ökologische Nahrung auszugeben. Die regelmäßigen Biokäufer verfügten nach der Umfrage nicht unbedingt über ein höheres Einkommen. Nur knapp zehn Prozent der Verbraucher verzichten noch immer ganz auf biologische Produkte. Damit hat Bio die breite Masse der Bevölkerung erreicht.

Doch auch die Frage, für welches Bioprodukt sich die Kunden schließlich entscheiden, beschäftigt die Marktforscher. „Es ging bei der Studie auch um die Erkennbarkeit bestimmter Marken und Qualitätssiegel“, sagt Skoppek. Über die Hälfte der Befragten kannte die Biomarken von Edeka, noch jeweils über 30 Prozent die Biomarken Alnatura, Demeter und Rapunzel. Sie wurden auch nach bestimmten Zertifikaten befragt, hier war das Fair-Trade-Siegel am bekanntesten. Doch auch das Siegel „Nature and More“ der auftraggebenden Stiftung kannten noch 15 Prozent der Verbraucher, obwohl es erst seit wenigen Jahren im Einsatz ist. Das Siegel steht für eine Transparenz bezüglich der Kohlendioxidemissionen der jeweiligen Produkte.

Die Daten der zertifizierten Produkte können über die Internetpräsenz der Stiftung abgerufen werden. Die wenigsten Käufer waren mit dem Siegel des Marine Stewardship Council vertraut, das ein nachhaltiges Fischereimanagement auszeichnet. Kannten die Verbraucher die Marken oder Zertifikate, hatten sie auch eine Meinung zu deren Qualität.

Dem Marktforschungsinstitut Produkt + Markt zufolge spielt die Marke beim Kauf von Bioprodukten nicht so eine wichtige Rolle wie bei konventionellen Lebensmitteln. Selbst breite Marketingkampagnen wie die von Bionade scheinen die Mehrheit der Konsumenten schlichtweg nicht zu erreichen, drei Viertel aller Befragten war das Bioerfrischungsgetränk unbekannt. Wer jedoch regelmäßig „bio“ konsumiert, bringt den bekannten Marken der Branche auch das größte Vertrauen entgegen. Nur bei Kosmetikprodukten waren auch unter Biokäufern konventionelle Marken beliebter.

Achim Spiller, Professor für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Georg-August-Universität Göttingen, beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Motivation von Biokunden. Eine einheitliche Bio-Zielgruppe gibt es seiner Ansicht nach nicht mehr. Sowohl diejenigen, die überwiegend im Bioladen kaufen, als auch die Gelegenheitskäufer von Bioprodukten im Supermarkt gehörten schon zum Gegenstand seiner Forschung.

Überzeugte Kunden von Bioläden ließen sich von der großen Auswahl an Bioprodukten, der fachlichen Beratung und auch durch die Erzeugnisse bestimmter Hersteller motivieren. Ein großer Teil wollte durch den Einkauf im Bioladen auch sein politisches Missfallen an der industriellen Lebensmittelproduktion ausdrücken. Bei diesen Überzeugungskäufern könnten sich nur Biosupermärkte als ernsthafte Konkurrenten für kleine Bioläden herausstellen. Denn auch zufriedene Kunden wandern ab einem bestimmten Preisunterschied ab.

Der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel hat sein größtes Potenzial hingegen bei den Selten- und Gelegenheitskäufern von Bioprodukten. Das haben inzwischen fast alle Discounter erkannt und bieten eine eigene biologische Produktlinie an. 2006 wurde fast die Hälfte des Umsatzes mit biologischen Produkten in konventionellen Lebensmittelgeschäften erzielt. Der Anteil der Naturkostgeschäfte ging hingegen auf rund 23 Prozent zurück. Der gesamte Umsatz im Biosegment hat sich andererseits jedoch seit 1997 verdreifacht. JUTTA BLUME