G 8 dient sozialer Selektion

betr.: „Einfach zu viel Stoff im G 8“, „Die Turbo-Auslese“, Debattenbeitrag von Christian Füller, u. a., taz vom 11. 2. 08

Die Reform des Gymnasiums zum G 8 dient dazu, die soziale Selektion, auszubauen. Sie treibt auf die Spitze, dass Erdal nicht mit Ruben lernen und spielen darf und diese zwei Jungs auch nicht miteinander umgehen können, wenn sie sich doch mal zufällig auf der Straße treffen. Das Problem liegt tiefer und Herr Füller schreibt ganz richtig: „Diese Pädagogik muss zwingend auch die viel diskutierte Dreigliedrigkeit in Frage stellen.“

Mein ältester Sohn geht auf eine Gesamtschule. Er hat Kontakt mit Erdal und Ruben und schreibt Realschulnoten. Er hat dort einen Stundensatz von 42,5 Stunden. Trotzdem kommt er relativ zufrieden und ausgeglichen von der Schule zurück. Vielleicht weil er dort mit Erdal die Hausaufgaben macht und mit Ruben Fußball spielt?

Wenn Schüler am Gymnasium so viel Zeit zum Lernen brauchen, dass sie nicht mehr Fußball spielen können, müssen sich die Eltern die Frage stellen, ob ihr Kind an einer guten Realschule oder einer Gesamtschule nicht besser aufgehoben wäre. Solange es die Dreigliedrigkeit gibt, wäre es günstiger, für den Ausbau der Gemeinschaftsschule zu demonstrieren, als gegen zu voll gepackte Stundentafeln am Gymnasium. Und wahrscheinlich jammern diejenigen Eltern, deren Kinder jetzt am Gymnasium überfordert sind, am lautesten, die beim Viertklassen-Elternstammtisch peinlich geschwiegen haben, wenn eine (akademische) Mutter sagt, dass ihr Kind „nur“ eine Realschulempfehlung hat.

Herr Beckmann und die klagenden deutschen Eltern können ihren Kindern beim Lernen helfen, ein Migrantenkind, das aufs Gymnasium geht, hat diesen Vorteil meist nicht, und muss doppelt so viel arbeiten, um das gleiche Ziel zu erreichen. Die deutschen Mitschüler dürfen sich dann auch ruhig mal anstrengen, denn schließlich können sie hinterher studieren. Und nebenbei bemerkt: Es gibt Hochschullehrende, die über die Arbeitsmoral der heutigen Abiturienten klagen. Witzigerweise über die Deutschen, denn die Studierenden mit Migrationshintergrund sind wissbegierig und arbeiten hart, um ihre Ziele zu erreichen. ANDREA WAGNER, Freiburg