Kritik an Bergbauindustrie

Kongos Regierung geht massiv mit den in ihrem Land tätigen Konzernen ins Gericht: „Unterbewertung“ der Rohstoffvorkommen, „unsinnige und illegale“ Verträge

Südafrikas Präsident Thabo Mbeki hat gestern vor dem Parlament in Kapstadt entschlossene Maßnahmen gegen die zunehmende Stromknappheit in seinem Land angekündigt. In seiner jährlichen Rede zum Zustand der Nation sagte Mbeki: „Wir stehen vor einem Notstand, aber wir können die Probleme relativ schnell lösen.“ Er warnte aber: „Die Ära billiger und reichlicher Elektrizität ist zu einem Ende gekommen.“

Letzten Monat hatten Südafrikas Platin- und Goldminen fünf Tage lang wegen Strommangel den Betrieb einstellen müssen, und fast täglich kommt es zu Stromausfällen für Haushalte, weil der staatliche Stromlieferant Eskom vor allem die Industrie am Laufen halten muss. Eskom macht dafür Südafrikas ANC-Regierung verantwortlich, die jahrelang dem Ausbau des Stromnetzes in den schwarzen Armenvierteln der südafrikanischen Städte Vorrang vor einem Ausbau der nationalen Stromproduktionskapazität gegeben habe.

Die Stromkrise bereitet dem Land insbesondere im Vorlauf der Fußball-WM 2010 Sorgen. Das Ziel, bis dahin ein jährliches Wirtschaftswachstum von sechs Prozent zu erreichen, könne nicht erreicht werden, gestand die Regierung gestern ein. D.J.

BERLIN taz ■ Die jährliche Zusammenkunft der afrikanischen Bergbauindustrie in Kapstadt, genannt „Indaba“, ist ein Ort für Afrika-Optimismus. Gigantische Investitionspläne und hochfliegende Reformprogramme werden hier diskutiert. Dieses Jahr war der Hauptsaal brechend voll, als Victor Kasongo am Dienstag ans Rednerpult trat. Der Vizeminister für Bergbau der Demokratischen Republik Kongo wetterte massiv gegen die Konzerne.

„Wir haben keinen einzigen korrekt zustande gekommenen Vertrag“, so Kasongo in seiner Rede, deren Text der taz vorliegt. Die laufenden Überprüfungen von Joint-Ventures im Bergbau durch Kongos seit 2007 amtierende gewählte Regierung habe von einer „kleinen Korrektur“ zu einem „massiven chirurgischen Eingriff“ ausgeweitet werden müssen, „und wir haben im Kongo nicht genug Chirurgen“.

Durch viele Verträge ziehe sich eine „massive Unterbewertung“ der an Investoren veräußerten Anteile. In manchen Verträgen gebe es „unsinnige und sogar illegale Beschränkungen der Möglichkeiten der souveränen Regierung, ihre Gesetze und Regeln auf diese Projekte anzuwenden… Es ist unmöglich, ein System anzuwenden, das jede Veränderung in der Umwelt-, Sozial-, Arbeits- oder Steuergesetzgebung blockiert, außer wenn sie dem Investor nützt.“

Eigentlich sucht Kongos Regierung dringend Investoren, um durch Mineralienexporte den Wiederaufbau ihres kriegszerstörten Landes zu finanzieren. Kongo hält ein Zehntel der Kupferreserven und ein Drittel der Kobaltreserven der Welt, und die Kupferkonzentrationen der Erze in Katanga sind weltweit einmalig, mit Spitzenwerten über fünf Prozent. Sogar der Ausschuss von Kongos Minen ist metallhaltiger als die Primärproduktion von Chile. Kongos Kupferförderung soll von derzeit rund 40.000 Tonnen im Jahr auf 700.000 in drei Jahren explodieren, wenn mehrere Großprojekte gleichzeitig die Förderung aufnehmen. Doch Kongo selbst wird daran wenig verdienen. Denn unter der Allparteienregierung von Kongos Warlords, die das Land von 2003 bis 2007 regierte, vergab der staatliche Bergbaukonzern „Gécamines“ die besten Vorkommen Katangas in windigen Verträgen an Joint-Ventures mit privaten Partnern.

Nach Kasongos Rede sackten die Börsenkurse zahlreicher Bergbaufirmen ab. Kongos Regierung will nun innerhalb von zwei Wochen die Überprüfung der existierenden Bergbauverträge abschließen und dann in einem Schnellverfahren Klarheit schaffen. Gegenüber der taz sagte Kasongo im Dezember, zahlreiche Firmen hätten einfach zu wenig Steuern gezahlt.

Diese Argumentation erweckt Misstrauen bei Bergbaufirmen, die Erpressung fürchten. Manche fürchten, Kongos neue Regierung wolle einfach bestehende Verträge annullieren und Minen stattdessen an China vergeben. Chinesische Firmen erhielten jüngst zu Sonderkonditionen gigantische Gécamines-Konzessionen in Katanga.

Die Reaktionen auf Kasongo bei der „Indaba“ waren dennoch gedämpft. Die meisten Firmen betonten ihre soziale Verantwortung – Katanga ist bitter arm, und im Bergbaurevier hat eine Choleraepidemie seit Jahresbeginn schon 76 Tote gefordert.

Mehr Angst als vor Kongos Regierung haben die Bergbaukonzerne voreinander. Feindliche Übernahmeversuche sind Alltag in der boomenden internationalen Bergbauindustrie. Seit Monaten versucht die größte Bergbaufirma der Welt, die britische BHP Billiton, ihren größten Rivalen Rio Tinto aus Australien zu schlucken. Es wäre die größte Fusion der Weltgeschichte – diese Woche erhöhte BHP sein Angebot auf 147,4 Milliarden Dollar. Das fusionierte Megaunternehmen könnte Preise für Kupfer, Eisen, Aluminium und Kohle diktieren.

Wohl um das zu verhindern, kaufte die chinesische staatliche Investitionsfirma „Chinalco“ Anfang Februar zusammen mit dem Aluminiumkonzern Alcoa für 16 Milliarden Dollar einen Anteil von 12 Prozent bei Rio Tinto. Chinesische Firmen glänzten bei der „Indaba“ durch Abwesenheit. Sie müssen gar nicht für sich werben, munkelten Beobachter: In vielen afrikanischen Ländern hat China bereits freie Bahn. DOMINIC JOHNSON