Yes, he can

Barack Obama hat nach wie vor die Chance, Präsidentschaftskandidat zu werden. Aber dafür müsste er beim Thema Wirtschaft nachholen

BERLIN taz ■ Barack Obama ist angriffslustig. Nach dem knappen Ausgang des Super Tuesday hält er in Chicago eine Siegesrede, in der er altbewährte Motive seines Wahlkampfs wiederholt. Zum Beispiel: „Unsere Zeit ist gekommen. Unsere Bewegung ist real. Und der Wechsel kommt nach Amerika.“ Dann schmettern die Anhänger ihr Standardmotto im rappelvollen Hotel Hyatt Regency: „Yes, we can!“ Er sagt aber auch Sätze, die klar gegen seine Rivalin Hillary Clinton gerichtet sind. Zum Beispiel: „Die Amerikaner müssen die Wahl haben: zwischen einer, die so viel Geld von Lobbyisten genommen hat wie niemand sonst – und jemandem, der keinen Pfennig von Lobbyisten annimmt.“

Hat Obama Grund für dieses Selbstvertrauen, obwohl Hillary Clinton knapp 100 Delegierte mehr für den Nominierungsparteitag Ende August hinter sich versammelt hat? Ja und Nein. Und kann er den Rückstand auf seine Rivalin noch aufholen? Yes, he can.

Obama hat an diesem Wahltag in 14 Bundesstaaten gewonnen, in sechs mehr als Hillary Clinton. Seine Siege hat er quer durch die Vereinigten Staaten errungen. Er hat in Staaten mit einer schwarzen Bevölkerungsmehrheit ebenso gewonnen wie im konservativen Mittleren Westen. Er hat sogar genauso viele gewählte Delegierte gewonnen wie Clinton – nur die Verteilung der sogenannten Superdelegierten, vorher bestimmte Funktionsträger und ehemalige Amtsträger der Demokraten, bringen Clinton ihren Vorsprung.

Obama hat aber auch schmerzhafte Niederlagen zu verkraften, allen voran die in Kalifornien. Einen Tag vor dem Super Tuesday hatte er in Umfragen noch geführt, doch am Ende schlug ihn Clinton mit einem deutlichen Vorsprung von 52 zu 42 Prozent. Auch andere bevölkerungsreiche und mit vielen Delegierten ausgestatteten Staaten wie New York oder New Jersey gingen ihm verloren.

Ein weiteres Problem für Obama ist die Zementierung der Wählerschaft. Am deutlichsten wird das bei den Minderheiten: Bei den African Americans hat er erwartungsgemäß eine große Mehrheit und konnte bei weißen Demokraten zumindest aufholen. Doch bei den Hispanics und den Wählern asiatischer Herkunft ist er chancenlos. In Kalifornien stimmten 70 Prozent der Hispanics und 75 Prozent der Asians für Clinton.

Was Obama aber wirklich Sorgen machen muss, ist der Zuspruch je nach Klassenzugehörigkeit. Clinton entpuppt sich als die Anwältin der weniger Betuchten, während Obama in der Oberschicht am besten ankommt. Das ist insofern ein Problem für Obama, weil sein ursprüngliches Thema in den Hintergrund gerückt ist: der Irakkrieg nämlich, den er, anders als Clinton, von Beginn an abgelehnt hat. Angesichts der Immobilienkrise und der Angst vor der Rezession erklären in Umfragen mittlerweile 90 Prozent der Befragten, dass die Wirtschaft das herausragende Thema sei. Und offenbar trauen mehr Wähler Clinton zu, diese Krise zu bewältigen.

Da stehen sich Obamas Idealismus und Clintons Pragmatismus gegenüber. Clinton ist programmatisch klarer. So beim Umgang mit jenen rund 45 Millionen US-Bürgern, die sich keine Krankenversicherung leisten können. Clintons Pläne gehen da am weitesten. Sie will eine Versicherungspflicht für alle einführen und die Kosten für die Gesundheitsversorgung senken. Obama will eine Versicherungspflicht nur für Kinder, bei Erwachsenen aber die Freiwilligkeit beibehalten. Staatliche Zuschüsse sollen den Erwerb einer Versicherung attraktiver machen.

In Chicago sagte Obama: „Es gibt eine Sache, für die wir an diesem Tag keine Zahlen brauchen: Wir wissen, dass unsere Zeit gekommen ist.“ Doch um Zahlen wird er beim inzwischen wichtigsten Wahlkampfthema Wirtschaft nicht herumkommen. THILO KNOTT