„Wir sind keine Verhinderer“

Piccadilly am Goetheplatz? Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki über die neue Dynamik, allerorten LED-Tafeln anzubringen, aggressive Layouts – und die neue Hoffnung für den Sendesaal

Interview: Henning Bleyl

taz: Herr Skalecki, dem Denkmalschutz wird immer gern die Buhmann-Karte zugeschoben. Sind Sie jetzt auch Schuld, wenn das Theater nicht genügend Werbung machen kann, um seine Besucherzahlen zu steigern?

Georg Skalecki, Landeskonservator: Wir wissen es durchaus zu würdigen, dass das Theater Aufmerksamkeit erheischen muss. Moderne Zeiten erfordern moderne Medien. Aber so, wie das Theater jetzt seine Fassadenwerbung am Goetheplatz plant, ist das sicher nicht konsensfähig. Da sind wir auch keineswegs die Einzigen, die Bedenken äußern.

Bei Pierwoß gab es auch Theaterwerbung an der Wand.

Herr Pierwoß hat sich wenigstens auf die Seitenflächen beschränkt, während nach dem Intendantenwechsel die gesamte Fassade mit einem Riesenbanner verhängt wurde. Sogar den Säulenportikus zu verdecken, ist schon arg. Dazu kommt, dass das Layout des Theaters aggressiver geworden ist. Mit der geplanten LED-Tafel würden wir bald Sponsorenwerbung und Laufbänder haben, also lauter blinkende und leuchtende Elemente.

Müsste der Steuerzahlerbund dann nicht auch seine rasant rasende Schuldenuhr abschrauben? Die hängt ebenfalls an einer historischen Fassade, direkt neben Ihrem Amtssitz.

Diese ist in ihren Dimensionen noch akzeptabel, zumal es sich nicht um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt. Das Problem ist jedoch: Es gibt eine ganz neue Dynamik, überall werden jetzt diese elektronischen Tafeln installiert. An der Stadtbibliothek, am „Haus der Wissenschaft“, an der „Glocke“. Wir haben das bislang akzeptiert, da wir keine Verhinderer sind. Auch beim Theater sagen wir nicht kategorisch „nein“, sondern sind bereit, gemeinsam ein Werbekonzept zu entwickeln. Aber bei der derzeitigen Planung handelt es sich um einen über 30 Quadratmeter großen Kasten mit einem Meter Tiefe. Das ist ein vor der Fassade hängender erkerartiger Anbau, der schon von der Bauordnung und der Verschandelungssatzung her nicht genehmigungsfähig ist.

Und wenn die Leuchtanzeigen auf die Fassade projiziert würden? Das wäre doch ohnehin die eleganteste Methode.

Das ist in der Tat vorstellbar, wobei man natürlich den Charakter der ruhigen, klassizistischen Fassade berücksichtigen muss. Es soll ja nicht aussehen wie am Piccadilly Circus.

Bei der Bürgerschaft gibt es ein ähnliches Problem: Die neue „EU-Informationsstelle“ im Erdgeschoss wird von Interessenten nicht eben überrannt, musste aber kürzlich ihr dezentes Banner vom Eingang entfernen. Ist das verhältnismäßig?

Auch da sind wir diskussionsbereit. Das Banner war nur für die Zeit des Weihnachtsmarktes genehmigt, damit der Eingang überhaupt noch irgendwie sichtbar war. Aber als es noch deutlich länger hing, habe ich an unsere Vereinbarung erinnert.

Das war jetzt der aktuelle denkmalpflegerische Hick-Hack. Was sind Ihre derzeit wirklich relevanten Baustellen?

Mich beschäftigt sehr, was aus dem Bunker „Valentin“ wird, wenn sich die Bundeswehr in zwei Jahren zurückzieht. Die Gespräche, wie man daraus eine nationale Gedenkstätte machen kann, müssen konkreter werden. Im „Haus der Wissenschaft“ zeigen wir gerade eine Ausstellung über weitere wichtige Gebäude, die denkmalpflegerisch leider – in Gegensatz zu Villen und Rathäusern – keine Selbstläufer sind. Es gibt so viele Hochkaräter mit einer ungewissen Zukunft. Dazu gehört die Getreideverkehrsanlage am Hafen. Natürlich ist eine Umnutzung etwa als Hotel möglich, auch wenn uns der jetzige Betrieb als Getreidelager am liebsten ist. Die Speicher XI, I und Schuppen 2 sind sehr gelungene Beispiele für Industriedenkmäler, deren denkmalverträgliche Umnutzung wir gemeinsam geplant haben.

Was machen Sie an dem Tag, an dem der Sendesaal abgerissen wird?

Ich gehe davon aus, dass es den nicht geben wird. Durch die Hinzuziehung von Herrn Hübotter, der diesbezüglich über große Erfahrung und geniale Ideen verfügt, wurde ein neuer Denkprozess angestoßen. Aber diese neue Phase hat gerade erst begonnen.