Mit Lust anstrengen

Der Intendant, auf den man sich freut: Ulrich Khuon, der ans Deutsche Theater kommt, bei den Berliner Lektionen

Im Fitnessstudio sieht es jeder ein, sagt Ulrich Khuon fast etwas neidisch: Anstrengung und Lustempfinden gehen Hand in Hand. Warum also wollen die Menschen im Theater alles einfach serviert kriegen? Wenn die Kunst ein Gegengewicht bilden soll zu den leerlaufenden Effekten unseres kommerzialisierten Alltags, zu den steigenden Tendenzen innerer Aushöhlung, zu der Überforderung des Einzelnen in einer Individualismus predigenden und Entindividualisierung fordernden Gesellschaft, dann darf sie Anstrengung nicht mit Zerstreuung begegnen. Gutes Theater, sagt Ulrich Khuon, verkompliziert. Produziert Rätsel. Schafft Missverständnisse. Darum geht es, so der designierte Intendant des Deutschen Theaters: diese Anstrengungen als lustvoll erfahrbar zu machen.

Am Sonntag stellte sich Khuon, bis Ende der Spielzeit 2008/2009 noch Intendant des Hamburger Thalia Theaters, im Rahmen der „Berliner Lektionen“ dem Hauptstadtpublikum vor. Seine knapp einstündige Rede war mehr als überzeugend: Sie machte geradezu Hoffnung auf eine neue Kommunikationskultur in der Berliner Theater(intendanten)welt. Khuon reflektiert philosophisch und denkt lebenspraktisch; er ist uneitel und vor allem von einer inspirierenden Offenheit, die selten geworden ist in einer Kunstwelt, wo jeder Macher sich als distinguierte Marke abzugrenzen sucht. Der Staatstheatermann hat kein Problem damit, eine vom HAU präsentierte argentinische freie Theaterproduktion im Wrangelkiez als eine der schönsten Inszenierungen des Jahres neben denen von Michael Thalheimer und Armin Petras zu nennen; er zitiert Peter Sloterdijk, Gottfried Benn, Wim Wenders und den Dramaturgen Bernd Stegemann mit derselben kritischen Achtung. Die Erwartungen an das Theater werden in Relation zu Pisa-Schock und Hirnforschung gesetzt, neben „Medea“ wird die Ästhetik der Münchner BMW-Welt diskutiert. Wobei er auch nicht vergisst, dass Letztere eben doch „inhaltlich nicht mehr als ein Automobil-Abholzentrum“ ist.

Die Selbstpositionierung der Kunst zwischen ihrer Einmischung in die Welt und dem Bestehen auf absoluter Unabhängigkeit ist eines von Khuons wichtigsten Themen. Seine Aufgabe dabei beschreibt er als Gestalter eines „öffentlichen, nicht interessengesteuerten Raums“, wo über das „Ineinander von Privatem und Gesellschaftlichem nachgedacht wird“. Als wolle er dem Publikum die Angst vor dieser Anstrengung nehmen, betont er, „sehr stark ein Verstehens-Arbeiter“ zu sein. Um sofort anzuschließen, dass es kein Recht auf Verstehen gäbe. Eine vielversprechende Mischung aus Dialogbereitschaft und Kompromisslosigkeit für das Deutsche Theater. CHRISTIANE KÜHL