„Arbeit für mehrere Jahre“

In Berlin gibt es noch besonders viel in Sachen „Arisierung“ aufzuarbeiten, sagt die Historikerin Beate Schreiber. Grund dafür sei die besondere Geschichte der Hauptstadt und dass die Unternehmen selbst wenig über ihre Geschichte wissen

BEATE SCHREIBER, geboren 1971, gründete im Jahr 1999 die Firma Facts & Files Historisches Forschungsinstitut Berlin.

taz: Frau Schreiber, die Erforschung der Verdrängung von Juden aus deutschen Betrieben und Unternehmen geschah vor allem durch die Unternehmen selbst und auf internationalen Druck. Wäre die Aufarbeitung nicht auch eine Aufgabe für die Politik?

Beate Schreiber: Doch. Einige Bundesländer haben ja auch Studien über die sie betreffenden „Arisierungs“-Fälle erstellt. Aber durch Berlins besondere Geschichte gibt es hier auch besonders viel aufzuarbeiten. Je nach Organisation und Technik hätte ein Team von zehn Leuten gut drei Jahre Arbeit damit.

Ist das ein Job für die historischen Seminare der Universitäten?

Für so riesige Quellenprojekte eignet sich die Struktur Hochschule kaum. Freiberufler könnten diese Arbeit schneller bewältigen; Leute, die an Deadlines gewohnt sind und sich voll auf diese Arbeit konzentrieren können.

Ist ihr Band „Die ,Arisierung‘ in Berlin“ eher etwas für den interessierten Hobbyhistoriker, oder wollen sie damit auch Politik machen?

Es wäre gut gewesen, wenn sich die Protagonisten der Kirchner-Restitutionsdebatte das Buch mal angesehen hätten. Aber es gibt Hoffnung auf Besserung: Schon jetzt haben wir großen Erfolg mit der Publikation: Der Band ist Juni erschienen, und jetzt ist schon die zweite Auflage im Druck.

Wie sehen sie die Historiker, die im Auftrag einer Firma forschen? Ist das unabhängige Wissenschaft?

Auf jeden Fall. Wenn wir uns die jüngsten Beispiele anschauen, Quandt oder auch die Dresdner Bank: Diese Unternehmen wissen nichts über eventuelle Kollaboration – die wissen also auch nicht, was sie verbergen sollten.

Und wenn sie vor der Veröffentlichung die Ergebnisse beschönigten?

Nein, die Auftraggeber verändern die Studien nicht. Das ist sicher. Man kann die Quellen überprüfen: Daran merkt man, dass nichts verfälscht wird.

Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Welche Firma wäre dann als nächste dran?

Ich fände Oetker interessant. Besonders spannend ist auch Robert Bosch, der gilt ja als einer der wenigen Unternehmer, der sich den Nationalsozialisten nicht angedient hat. Aber noch gibt es keine Studien dazu.

INTERVIEW: JUDITH LUIG