Streit um Gefängnis-Türme

Nach dem Ausbruch eines mutmaßlichen Betrügers aus der Untersuchungshaftanstalt wollte Senator Lüdemann nachts alle Wachtürme besetzen lassen. Die Opposition wirft ihm jetzt vor, seine Versprechen nicht zu halten

Wegen unbesetzter Wachtürme in der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis (UHA) sieht sich Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) Kritik der Opposition ausgesetzt. Der GAL-Rechtspolitiker Till Steffen höhnte gestern: „Die CDU fordert längere Strafen, aber Gefangene werden nicht bewacht.“ Sein SPD-Ressortkollege, Andreas Dressel, reichte eine Kleine Anfrage ein. Er wirft der CDU-Regierung vor, den Mega-Knast in Billwerder ohne zusätzliches Personal eröffnet und bei der Besetzung der Wachtürme gespart zu haben. „Das war eine verheerende Fehlentscheidung.“

Ende des vergangenen Jahres war der mutmaßliche Betrüger Oleg B. nachts aus der UHA ausgebrochen. Zwar wurden die Wachposten über Bewegungsmelder alarmiert – da sie aber auf ihren Bildschirmen nichts sehen konnten, interpretierten sie die Meldung als Fehlalarm.

Nach dem Ausbruch war bekannt geworden, dass die Wachtürme rund um die UHA nur tagsüber besetzt sind. Senator Lüdemann kündigte daraufhin an, sie bis zur abschließenden Klärung des Ausbruches auch nachts wieder zu besetzen. Das hat er auch veranlasst – aber nur für drei der insgesamt sechs Türme. Das Gefängnis sei intensiv inspiziert worden, erklärt Sprecherin Kathrin Sachse. Daraufhin seien die Türme wieder besetzt worden, die an problematischen Stellen stehen. Bei den übrigen setze die Behörde nach wie vor auf die Sonar- und Lichtschranken. „Nachts ist die Sicht aus den Wachtürmen recht begrenzt“, sagte Sachse. Technische Überwachungsgeräte seien da effizienter. Deshalb seien die Wachtürme nur tagsüber rundum besetzt, wenn die Gefangenen Freistunde auf dem Hof haben.

Im Laufe der Woche soll der abschließende Bericht zu der Frage vorliegen, wie es zu dem spektakulären Ausbruch aus der UHA kommen konnte. Dann werde die Behörde entscheiden, ob und welche weiteren Sicherheitsmaßnahmen getroffen würden. Für die Opposition aber steht jetzt schon fest, dass das Konzept Lüdemanns erhebliche Mängel aufweise. „Die Forderung der CDU nach längeren Haftstrafen wird vollends absurd, wenn Gefangene ihre Haft ohne Probleme zum frei gewählten Zeitpunkt beenden können“, sagte GALier Steffen. Der SPD-Abgeordnete Dressel wirft Lüdemann auch vor, ein falsches Versprechen abgegeben zu haben. „Es wäre ein sehr schwerer Vorgang, wenn der Justizsenator in einer so sensiblen Angelegenheit die Öffentlichkeit täuscht.“ELKE SPANNER