„Frauen gründen anders“

Das Hamburger Projekt „click“ berät Selbstständige und solche, die es werden wollten. Bei einer Befragung der Teilnehmer kam heraus, dass die meisten ihre Lage positiv sehen, obwohl sie nicht von ihren Einnahmen leben können

SUSANNE WEHOWSKY, 44, ist Diplom-Geografin und arbeitet als Beraterin für ExistenzgründerInnen und Selbstständige. Sie war Projektleiterin des Selbstständigen-Beratungsprojekts „click“ der Weiterbildung Hamburg e.V , das Ende 2007 auslief.

INTERVIEW CLAAS GIESELMANN

taz: Frau Wehowsky, Sie haben als Fazit Ihrer Befragung die These aufgestellt, dass Menschen in freien Berufen auch in prekären finanziellen Situationen relativ zufrieden sind. Sind Freiberufler an sich die anspruchsloseren Menschen?

Susanne Wehowsky: Nein, auf keinen Fall. Die freien Berufe sind ja oft im kreativen Bereich angesiedelt, dort geht es häufig auch um Ausdruck der eigenen Person. Von daher handelt es sich um relativ befriedigende Tätigkeiten, ich denke, dass das dahinter steht. Es geht vielen um Selbstverwirklichung, da hat die Lebensqualität einen höheren Stellenwert als der finanzielle Gewinn.

Ist es wirklich so, dass die Mehrheit der Freiberufler sich das Ziel setzt, der eigene Chef zu sein und aus diesem Grund den Schritt in die Selbstständigkeit wagt? Oder werden nicht auch viele Menschen aus der beruflichen Situation heraus dazu gedrängt?

Da sich der Arbeitsmarkt nun entspannt hat, ist es tatsächlich so, dass viele aus freien Stücken in die Selbstständigkeit gehen. Vor zwei, drei Jahren war der Boom der Existenzgründungen sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen bestanden, so dass man die Selbstständigkeit als Alternative gewählt hat. Ein anderer Grund ist, dass gerade Frauen, wenn sie merken, dass sie beruflich an die so genannte „gläserne Decke“ stoßen, also nicht in die Führungsetage aufrücken können, sich dann für eine Selbstständigkeit entscheiden.

Sie bezeichnen Ihre Kursangebote als „frauenspezifisch“, 90 Prozent ihrer TeilnehmerInnen sind weiblich. Sind Frauen engagiertere Gründerinnen, oder haben sie mehr Nachholbedarf?

Es gibt viele Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass Frauen anders gründen als Männer. Sie gehen mit Geld anders um und gründen oft ohne Eigenkapital, um nicht so ein hohes Risiko einzugehen. Gleichzeitig sind sie, relativ betrachtet, erfolgreicher am Markt, sind länger selbstständig als Männer. Ein sehr zentrales Thema ist der Bereich „Akquise“, in dem man viel aus sich herausgehen muss. Da ist es dann so, dass Frauen lieber unter sich bleiben.

Rund drei Viertel der befragten Kursteilnehmer geben an, ein zweites finanzielles Standbein zu haben, knapp zwei Drittel können nach eigenen Angaben nicht von ihrem Gewinn als Selbstständige leben. Ist das der Normalzustand?

Nein, auf gar keinen Fall. Diese Zahlen liegen bei uns sicherlich auch mit daran, dass wir einen hohen Anteil an Teilzeit-Selbstständigen in unseren Kursen haben. Also, dass auch viele noch mit einer halben Stelle angestellt sind und beispielsweise als TexterIn oder GrafikerIn freiberuflich tätig sind. Und dass wir so viele Teilzeit-Selbstständige haben, liegt eben an dem hohen Frauenanteil. Gerade Mütter sind oft nur Teilzeit-Selbstständig. Das muss man schon in dem Kontext sehen. Allerdings ist es schon so, das sagt unsere Studie auch, dass gerade in den freien Berufen die Lebensverhältnisse oft prekär sind, dass da einfach nicht soviel zu verdienen ist. Ein Beispiel ist der Bereich Journalismus: Da wurde in der Vergangenheit viel entlassen, der Markt ist voll mit freien Journalisten, die Preise gehen immer weiter runter. Das ist tatsächlich ein Fakt. Aber man kann dennoch nicht pauschal sagen, dass Selbstständige nicht von ihren Gewinnen leben können.

Die Zahl der Selbstständigen hat sich in Deutschland seit 1994 fast verdoppelt, bald sind es eine Million Menschen. Sind wir in 20 Jahren ein Land voller Freiberufler?

Ja, die Tendenz geht auch weiterhin in Richtung der freien Berufe. Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt, viele Menschen wechseln heutzutage zwischen befristeten Beschäftigungen und freien Tätigkeiten hin- und her. Ich denke, dieser Trend wird anhalten. Die staatlichen Bemühungen gehen weiterhin eindeutig in die Förderung der Existenzgründungen und auch europäische Mittel fließen in den Bereich. Das ist durchaus etwas, das man als anhaltenden gesellschaftlichen Trend bezeichnen kann, der sich weiter fortsetzen wird.

Gibt es Tipps, die man zu Beginn einer freien Tätigkeit beherzigen sollte?

Ganz wichtig ist die richtige Planung im Vorfeld. Man sollte einen Businessplan erstellen und ein fundiertes Konzept schriftlich fixieren, wo man Dinge festhält wie „Was biete ich an?“ und „Wem genau biete ich es an?“. Auch sollte man eine Planungsrechnung für die kommenden drei Jahre erstellen, um sich die Frage zu beantworten „Kann ich von den Einkünften leben?“. Das ist als Grundlage für die Selbstständigkeit ein ganz wichtiger Schritt.

Gibt es klassische Fallstricke beim Gang in die Selbstständigkeit – Dinge, die immer wieder falsch gemacht werden?

Wenn nicht genügend geplant wird, sondern blauäugig drauf losgelegt wird, nach dem Motto „Das wird schon gut gehen“, das ist der größte Fallstrick. Oder auch, wenn die Finanzen nicht gut kalkuliert sind und ein finanzieller Puffer fehlt – um beispielsweise die Einkommenssteuernachzahlung für das vergangene Jahr und die Vorauszahlung für das kommende Jahr gleichzeitig zu leisten. Ein weiterer Tipp, den ich geben würde, ist die Zusammenarbeit mit anderen. Kooperationen sind gerade bei Kleinstgründungen und freien Berufen unheimlich wichtig. Man muss sich vernetzen und austauschen um gemeinsam mit anderen auch größere Aufträge übernehmen zu können. Man sollte als Selbstständiger nicht alleine dastehen.