Ein wunderschönes Sittengemälde

betr.: „Hiddensee – Insel sein!“, taz-Reise vom 22. 12. 07

Es versteht sich von selbst, dass ein Hiddensee-Artikel Nina Hagens wunderbaren DDR-Song zitiert. Aber euer Artikel geht sträflich nachlässig mit diesem wichtigen Dokument um. Dass der Junge nicht „Mischa“, sondern „Micha“, genauer „Micha-eeel!!“ heißt, habt ihr wohl selbst gemerkt und in der Online-Version korrigiert.

Aber viel wichtiger: Die Datierung ist falsch! Das Lied stammt von 1974 und nicht von 1984, wie ihr schreibt; das ist keineswegs nebensächlich. Ein Farbfilm war 1974 noch kostbarste Westware, teuer im Intershop erstanden (1984 gab es bereits Orwo-Farbfilme), absolut nicht „läppisch“, wie die zitierte Gewährsfrau schreibt. Wenn Nina ihren Michael wegen des vergessenen Farbfilms zu verlassen droht, dann hängt daran die halbe DDR-Seligkeit: Ein (privater) Ostsee-Urlaub war für DDR-Bewohner wesentlich schwerer zu bekommen als zum Beispiel einer am Schwarzen Meer, und wenn dann das wichtigste Stück für späteres Schwelgen beim Blättern im Fotoalbum („Ick im Bikini und ick am FKK, ick frech im Mini, Landschaft is ooch da“ …) zu Hause geblieben ist, dann ist es kein Wunder, wenn Ninas Tränen „heiß kullern“! Übrigens heißt es auch nicht „So böse stampfte mein nackter Fuß im Sand“, sondern „den Sand“ – und man sieht das wütende Bikini-Ossi-Mädchen genau vor sich und möchte nicht in Michas Haut stecken! Ein wunderschönes Sittengemälde!

BÄRBEL HAUDE, Göttingen

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