Christliche Soldaten für die jüdische Armee

ISRAEL In der Stadt Nazareth in Galiläa hat sich die Zahl der christlichen Einwohner, die in der Armee dienen, jüngst fast vervierfacht. Das sorgt in der arabischen Gemeinschaft für Zwist mit den Muslimen

„Wenn wir selbst in die Armee gehen, wird uns das stärken“

KAPITÄN BISCHARA SCHLAJAN

AUS NAZARETH SUSANNE KNAUL

Pater Gabriel Naddaf ist in Nazareth ein umstrittener Mann. So sehr der Geistliche den Respekt seiner Anhänger genießt, so sehr lehnen ihn seine Gegner ab. Der griechisch-orthodoxe Priester bekommt Drohanrufe, und nicht selten sind die Reifen seines Autos platt. Einmal lag sogar ein in Tierblut getränkter Lappen vor der Haustür. Anlass für den aggressiven Unmut ist Pater Gabriels Aufruf an die jungen Männer in der Gemeinde, sich für den Dienst in Israels Armee zu melden. Der Streit für oder gegen Wehrpflicht zieht einen tiefen Riss durch die kleine Gruppe der arabischen Christen in Israel.

„Wenn wir selbst in die Armee gehen, wird uns das stärken“, sagt auch ein anderer Fürsprecher einer Militärpflicht für Christen, Bischara Schlajan. Bislang schien kein Zweifel daran zu herrschen, dass sich die Christen selbst als Teil der arabischen Bevölkerungsgruppe empfinden. Beide Religionen, Christen und Muslime, gehörten bei Staatsgründung zur selben Schicksalsgemeinschaft unter den neuen jüdischen Herren im Land, die ihrerseits keinen Unterschied zwischen beiden Konfessionen machten. Von einigen tausend Beduinen und Drusen abgesehen, bleiben arabische Männer, die sich freiwillig zum Dienst in der israelischen Armee melden, eher die Ausnahme. Im Jahr 2012 stieg die Zahl jedoch – nach Auskunft der griechisch-orthodoxen Kirche in Nazareth – von 35 auf über 130 christliche Rekruten. Dazu kommen 500 Zivildienstleistende. „Wir wollen, dass die Christen in die israelische Gesellschaft und die staatlichen Institutionen integriert werden“, sagt Pater Gabriel. Sie sollten „ihren Beitrag nicht nur durch Worte, sondern mit Taten leisten“, fügt er hinzu. Unter der Obhut des Paters fand sich vor gut einem Jahr das Forum für den Wehrdienst der Christen in der Stadt zusammen.

„Was der Pater sagt, ist nicht wichtig“, schüttelt dagegen ein junger Souvenirhändler den Kopf. Gleich neben der Verkündigungskirche verkauft er Holzkreuzchen, Kerzen und bunte Tücher. Wer sich zur Armee melden will, solle das freiwillig tun, findet er. Pflichtdienst, wie er für die jüdischen Israelis gilt, lehnt der Mann ab, der selbst ein Christ ist. Auch die arabische Abgeordnete Chanin Soabi sagt über den Pater: „Er verkauft seine Ehre und seine Nation.“

Schiffskapitän Bischara Schlajan beobachtet indes, wie sich die Wut der arabisch-muslimischen Minderheit gegenüber der kleineren arabisch-christlichen Minderheit Luft macht. „Der Rassismus nimmt zu“, sagt er. Schlajan plant nun, die weltweit größte Jesusstatue auf dem „Berg des Abgrunds“ zu bauen.

In der einst christlichen Stadt stellt die muslimische Bevölkerung längst die Mehrheit der Einwohner. Die größte arabische Stadt Israels hat viele Probleme. Arbeitslosenrate und Kriminalität liegen weit über dem Landesdurchschnitt.

Anfang 2000 führte der geplante Bau einer Moschee gleich neben der Verkündigungskirche zum ersten offenen Streit der Konfessionen. Geschürt von Islamisten hielten über zwei Jahre lang wütende Demonstrationen die Stadt in Atem, bis der Bau auf Druck des Vatikans schließlich eingestellt wurde. Widerwillig gaben die Muslime nach.

„Wir sind froh, in Israel zu leben, denn der Staat schützt uns“, meint Schlajan, aber das sei nicht genug. Das Erpressen von Schutzgeldern durch muslimische Banden verbreite sich in der Stadt, sagt er. Immer öfter erreichten ihn und seine Familie telefonische Drohungen. Sobald sein Schiff voll sei, werde er „in See stechen“, sagt der Kapitän. Er fährt Touristen mit einer Jesus-Boot-Imitation auf den See Genezereth spazieren und nutzt die passende Metapher für seine Absicht, eine christliche Partei zu gründen. Wie viele Passagiere schon an Bord seiner neuen Bewegung sind, will er nicht sagen. „Digley HaBrit“ nennt er die christliche Partei, die „Flaggen des Brit“, womit sowohl ein Bündnis als auch das Neue Testament gemeint sein kann.

Schlajans Zielgruppe sind die Christen in Israel, und zwar nicht nur die arabischer Abstammung. „Viele russische Einwanderer zeigen Interesse für uns“, behauptet er. Rund ein Drittel der gut eine Million Immigranten, die seit Anfang der 90er Jahre aus den ehemaligen Sowjetstaaten nach Israel zogen, sind laut staatlicher Statistikbehörde keine Juden. Die will Schlajan jetzt für seine Partei gewinnen.

Ohne nichtarabische Wähler stehen die Chancen für Digley HaBrit allerdings miserabel. Die Nazarener bleiben distanziert. Die meisten Anwohner scheinen das Thema zu meiden. „Schlajan repräsentiert niemanden außer sich selbst“, sagt der christliche Souvenirhändler. Wer zur Armee gehen wolle, könne das jetzt schon tun. Vorteile habe das nicht gebracht. (mit epd)