Zwischen Protest und Überzeugung

WÄHLER Ihre Führer stehen vor Gericht – aber die Goldene Morgenröte bleibt drittstärkste politische Kraft in Griechenland. Wer wählt die Neonazis?

■ Festnahme: Am 28. September 2013 wurden 69 Mitglieder der Goldenen Morgenröte festgenommen, darunter der Vorsitzende Nikolaos Michaloliakos, Chefagitator Christos Pappas und mehrere Abgeordnete. Zehn Tage zuvor hatte ein Neonazi den linken HipHop-Musiker Pavlos Fyssas aka „Killah P“ erstochen.

■ Anklage: Michaloliakos und Co. wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten Strafen von zehn Jahren bis lebenslanger Haft.

■ Dauer: Nach Einschätzung von Juristen wird der Prozess Monate dauern. (rr)

ATHEN taz | Ausgelassen bejubelten die Anhänger der Linkspartei Syriza am 25. Januar ihren Wahlsieg, die Bilder gingen um die Welt. Fast unbemerkt feierten zu diesem Zeitpunkt auch Griechenlands Neonazis ihren Wiedereinzug ins Athener Parlament. Zwar hat die Goldene Morgenröte Stimmen verloren – aber sie ist trotz der Festnahme ihrer Führung weit davon entfernt, abgeschrieben werden zu können.

Als wichtigster Grund für den Erfolg der Rechtsextremen wird in griechischen Medien die Wirtschaftskrise oder der Ansturm von Flüchtlingen nach Hellas angeführt. Vassiliki Georgiadou, Professorin für Politikwissenschaft an der Panteion-Universität Athen, hat die Partei- und Wählerstrukturen der Goldenen Morgenröte wissenschaftlich untersucht und stellt folgende Erklärung in den Vordergrund: Es gäbe nun mal genug Wähler, die nicht aus Protest rechtsextrem wählen – sondern aus ideologischer Überzeugung.

„Jeder zweite Wähler der Goldenen Morgenröte entscheidet sich bewusst für diese Partei; das hat man sowohl bei der jüngsten Parlamentswahl als auch bei den Doppelwahlen 2012 beobachten können“, erläutert Georgiadou. Deshalb können die Neonazis mittlerweile auch ihre eigenen Hochburgen vorweisen. „Dazu gehören Wahlkreise auf dem Peloponnes, in denen königstreue Gruppierungen Tradition haben, oder auch in Nordgriechenland, wo früher einmal die rechtspopulistische Partei Laos (Orthodoxe Volksbewegung) viele Stimmen für sich verbuchen konnte“, erläutert die Politikwissenschaftlerin.

Auf Laos-Wahlerfolge reagierten die damals regierenden Konservativen mit Zuckerbrot und Peitsche: Einerseits kritisierten sie Verbalattacken von rechts außen, andererseits hofierten sie sämtliche Laos-Politiker und nahmen sie schließlich in die eigenen Reihen auf. Schwergewichte der heutigen Opposition wie der konservative Fraktionssprecher Makis Voridis oder Exgesundheitsminister Adonis Georgiadis hatten ihre politische Karriere als Rechtspopulisten begonnen, bis sie durch Machtbeteiligung zumindest teilweise domestiziert wurden.

Dieser Wandel durch Annäherung funktioniert jedoch nicht bei der Goldenen Morgenröte. Diese Erfahrung machte vor einem Jahr Panagiotis Baltakos, Stabschef des damaligen Premiers Antonis Samaras, nachdem ein freundliches, heimlich aufgenommenes Gespräch zwischen ihm und einem rechtsextremen Abgeordneten veröffentlicht wurde. Baltakos musste gehen und versank in der politischen Bedeutungslosigkeit. Die Goldene Morgenröte bleibt weiterhin drittstärkste Partei. JP