Siebter Streik in zehn Monaten

ARBEITSKAMPF Nach vier Monaten Pause streiken die Lokführer bei der Bahn wieder. Es geht immer noch um den gleichen Konflikt: Darf die GDL auch Begleitpersonal vertreten?

„Die Lokführer sind es leid, veralbert zu werden“

GDL-VORSITZENDER CLAUS WESELSKY

VON RUBEN REHAGE

BERLIN taz | Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) lässt nicht locker. Weil sie ihre Mitglieder zum Ausstand aufgerufen hat, stehen seit Dienstagmittag viele Güterzüge in den Bahnhöfen. Das bedeutet Produktionsausfälle für etliche Unternehmen, die auf Lieferungen warten. „Streikbedingte Schäden können von einstelligen Millionenbeträgen schnell auf bis zu 100 Millionen Euro Schaden pro Tag wachsen“, warnt Dieter Schweer, Mitglied der Geschäftsführung im Bundesverband der Deutschen Industrie.

Seit Mittwochmorgen wird auch der Personenverkehr bestreikt. „Die Lokführer sind es leid, von ihrem eigenen Arbeitgeber veralbert zu werden“, sagt der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky.

Der Gewerkschaftsführer warf der Deutschen Bahn erneut vor, nicht ernsthaft zu verhandeln. 16 Gesprächsrunden hat es bisher gegeben. Seit Ende Februar seien keine Zwischenergebnisse mehr fixiert worden. Offenbar, so Weselsky, wollten die Vertreter der Bahn die Verhandlungen so lange aussitzen, bis das sogenannte Tarifeinheitsgesetz (TEG) in Kraft tritt, das auf die „Existenzvernichtung“ der kleinen Gewerkschaften ziele.

Zentraler Streitpunkt zwischen der GDL und der Deutschen Bahn ist die Forderung der Gewerkschaft, außer für die Lokführer auch für das Bordpersonal zu verhandeln. Bisher werden diese Berufsgruppen von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG vertreten, die zu den DGB-Gewerkschaften zählt – die GDL gehört zum konkurrierenden Dachverband Deutscher Beamtenbund. Allerdings war die entsprechende Vereinbarung zwischen EVG und GDL im vergangenen Juni ausgelaufen.

„Wenn das TEG beschlossen ist, braucht die Bahn sich mit uns nicht mehr auseinanderzusetzen“, sagte eine GDL-Sprecherin der taz. Die Große Koalition möchte das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschieden.

Das TEG soll sogenannte Tarifkollisionen regeln – also Fälle, in denen zwei konkurrierende Gewerkschaften jeweils unterschiedliche Tarifverträge für dieselbe Berufsgruppe in einem Betrieb durchsetzen wollen. Können sich beide nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, soll auf Antrag einer betroffenen Tarifpartei das Mehrheitsprinzip gelten. Für alle wirksam wird dann der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern.

Im aktuellen Konflikt bei der Bahn würde das TEG dafür sorgen, dass die GDL – als im Vergleich zur EVG deutlich kleinere Gewerkschaft – keinen eigenen Tarifvertrag abschließen könnte. Damit wäre die Deutsche Bahn den seit mittlerweile über zehn Monaten andauernden Streit los.

Eine Konzernsprecherin wies den Vorwurf, die Verhandlungen nur verzögern zu wollen, zurück: „Wir wollen auch mal zum Ende kommen“, sagte sie. Eine „faire Lösung“ sei aber ausschließlich am Verhandlungstisch zu erreichen. „Streik ist hier kein taugliches Mittel.“

Bislang profitieren die Fernbusanbieter: „Erfahrungsgemäß steigt die Nachfrage bei Streiks um das Sechsfache“, sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer, Matthias Schröter. Zwar könnten kurzfristig keine neuen Strecken eingerichtet werden. Aber: „Wir können die Kapazität auf einer Linie erhöhen.“

Wo genau es zu Streiks im Personenverkehr kommen wird, wusste die Bahn bis Redaktionsschluss noch nicht. „Wir arbeiten einen flächendeckenden Ersatzfahrplan aus, um dann möglichst viele Verbindungen aufrechterhalten zu können“, sagte ein Sprecher. Reisende, die aufgrund des Streiks mehr als 60 Minuten zu spät oder gar nicht ankommen, würden entschädigt. (mit dpa)

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