EU wirft Gazprom Missbrauch von Marktmacht vor

ENERGIE Dem russischen Staatskonzern drohen Milliardenstrafen, was Moskau in Rage bringt

BRÜSSEL rtr | Die EU-Kommission knöpft sich den russischen Energiekonzern Gazprom wegen des möglichen Missbrauchs seiner Marktmacht in Osteuropa vor. Die Brüsseler Wettbewerbshüter schickten am Mittwoch ihre Beschwerdepunkte an den staatlich kontrollierten Gasgiganten.

Gazprom verletze nach dem vorläufigen Ergebnis der Untersuchung die EU-Kartellvorschriften, indem das Unternehmen eine umfassende Strategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte verfolge, teilte die Kommission mit. Davon betroffen seien Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Bulgarien sowie die drei baltischen Staaten.

„Durch die Trennung der nationalen Gasmärkte konnte Gazprom Preise verlangen, die wir derzeit als nicht angemessen betrachten“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Gazprom nannte die Vorwürfe unbegründet. Man erwarte, dass das Verfahren im Rahmen von bereits getroffenen Vereinbarungen zwischen Russland und der EU gelöst werde. Der russische Außenminister Sergei Lawrow nannte das Verfahren „absolut inakzeptabel“. Die EU versuche, neue Regeln aus dem dritten Energiepaket auf alte Verträge anzuwenden.

Die EU-Kommission wirft dem Konzern vor, unter anderem die Möglichkeit seiner Kunden einzuschränken, das gekaufte Erdgas in andere Staaten weiterzuverkaufen. Davon ist vor allem die Ukraine betroffen, die mehr Gas aus Mitteleuropa erhalten will, nachdem die Regierung in Moskau dem Nachbarland bereits zweimal wegen des Streits über nicht bezahlte Rechnungen den Gashahn zugedreht hat. Gazprom könnte zudem in fünf EU-Ländern unlautere Preise verlangt haben.

Die EU bezieht rund 30 Prozent ihres Erdgases aus Russland. In manchen Ländern Osteuropas liegt die Abhängigkeit von Gazprom bei bis zu 100 Prozent. Die EU versucht, diese Abhängigkeit durch die Schaffung einer Energieunion zu reduzieren.

Gazprom hat zwölf Wochen Zeit, auf die Vorwürfe der EU-Kommission zu reagieren. Am Ende des Verfahrens könnte ein Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes stehen, der bei Gazprom rund 100 Milliarden Dollar beträgt. Über Kreuz lagen die Brüsseler Behörde und der russische Energieriese auch beim Pipelineprojekt South Stream, das Gas unter Umgehung der Ukraine nach Europa pumpen sollte. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte das Projekt Ende 2014 auf.