Editorial

Der 8. Mai ist heute ein Freudentag. 70 Jahre danach fällt das auch den Deutschen leicht. Wer ist schon gerne auf der Seite der Verlierer? Damals, vor 70 Jahren, galten die Befreiung von der Nazidiktatur und das Ende des Zweiten Weltkriegs vor allem den Siegern als ein Fest. Der Kampf der Alliierten hatte nicht der Befreiung der Deutschen gegolten, sondern derjenigen, die von ihnen unterdrückt und versklavt worden waren.

Heute sind diese Überlebenden uralt. Bald wird niemand mehr erzählen können, was sie damals erlebt und erlitten haben. Ihre Stimmen werden fehlen. Die taz nimmt den heutigen 8. Mai zum Anlass, um die Befreiten in dieser Ausgabe zu Wort kommen zu lassen.

Tatsächlich war ihre Befreiung für viele von ihnen nicht unbedingt ein Tag der Freude. Etliche hatten ihre Familien verloren. Die KZ-Überlebenden standen vor dem Hungertod, Tausende starben noch nach der Befreiung. Hunderttausende Juden besaßen keine Heimat mehr. Für viele Zwangsarbeiter aus dem sowjetischen Einflussgebiet folgte auf die Befreiung neue Unterdrückung im Gulag. Und manche Menschen, etwa Sinti und Roma, blieben auch danach Diskriminierungen ausgesetzt.

Zugleich hat die taz danach gesucht, welche Bedeutung der 8. Mai 1945 heute, 70 Jahre später, hat. Wie stark ist das Bild Deutschlands noch von der Naziherrschaft geprägt? Was bedeutet es für die Nachgeborenen? Menschen aus Ländern, die damals unter der NS-Besatzung gelitten haben, berichten.

Wenn auch die Deutschen heute den 8. Mai feiern, dann ist das so, weil sie etwas begriffen haben, was ohne diesen Tag nicht Allgemeingut geworden wäre.

Ist also alles in Ordnung und dient das Gedenken nur der Selbstvergewisserung? Leider nein. Die Bundesrepublik versteht sich gern als Hort der Humanität. Doch Antisemitismus ist kein überwundenes Phänomen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind Probleme, mit denen die Gesellschaft nach wie vor zu kämpfen hat. Und die Nonchalance, mit der die Bundesregierung auf die griechische Forderung nach Entschädigung reagiert, lässt frösteln.

Der Sieg über das NS-Regime bleibt ein einzigartiges Geschenk für Deutschland. Niederlage, Zerstörung und Besatzung haben den Deutschen den Weg zur Demokratie eröffnet. Das ist ein Grund, warum wir allen Alliierten Dank schulden.

KLAUS HILLENBRAND, PASCAL BEUCKER