DER TRAUM VOM WEINGUT IST AUCH NICHT MEHR DAS, WAS ER WAR
: Dänen in Italien

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Ach, ich will da nicht hin“, sagt mein Mann. „Was sind denn das für Leute? ‚Und dann sind wir nach Umbrien gezogen und haben uns so ein urgemütliches Weingut gekauft.‘ Was für Dänen machen schon Wein?“ Und mein Mann biegt nicht nach rechts ab, obgleich es da den schrecklich guten Wein zu kaufen gäbe, und wir fahren weiter an einen See, an einen Spielplatz.

„Das erste Bild muss reichen“, sagt die italienische Mutter dort, während sie sich auf die Wippe setzt, auf deren anderem Ende ihre Tochter schon sitzt. Und schon macht ihr Mann mit seinem iPhone ein Bild.

„Weiter wippen, weiter wippen“, ruft die Tochter begeistert.

„Tzz, Claudia“, sagt die Mutter. „Meine Hände werden dabei so dreckig.“

Und dann bezahlen wir die Parkgebühren, gerade rechtzeitig, und ich ärgere mich über eine Amerikanerin, und dann sind wir auch wieder zu Hause, endlich. Und morgen fahren wir zu den Dänen.

„Willkommen, willkommen, ich sitze gerade und trinke ein Glas Wein“, sagt Kaja, kaum überraschend, und sitzt an ihrem Pool, der modrig unter einer Plane lauert. „Ich habe mir das Glas ein wenig vollgeschenkt, entschuldigt, ich wollte einfach mal ein bisschen entspannen.“ Und sie holt uns eine Flasche Wein und den Kindern eine Cola und sperrt den Hund ein, der ist so wild. Voriges Jahr hat er sie umgerissen und sie hat zwei Stunden auf den Terrassenfliesen gelegen, ehe ihr Mann ihr zur Hilfe kam. Ein italienisches Auto sei auch vorbeigefahren und der Fahrer habe gefragt, ob der Hund sie umgerissen habe. Hatte er. Antwortete sie. Und das Auto fuhr weiter.

Seither sei ihr klar geworden, dass sie hier in Italien nicht alt werden wolle. Im Krankenhaus wartete sie drei Tage lang auf ihre Operation. Nummer 15 auf der Warteliste.

Sie humpelt zurück ins Haus, holt Brot und Öl zum Probieren. Das sei schon letztes Jahr im Frühling passiert und gesundheitlich bergauf gehen wird es bestimmt nicht. „Ich krieg kaum die Kupplung runtergedrückt“, sagt sie, Wein im Mund, und ohne Auto ist man hier aufgeschmissen.

Italienische Freunde haben sie eigentlich keine gewonnen, seit sie hier leben. Eine italienische Bekannte habe sie. Sie kümmere sich um ihre Mutter, erzählt Kaja. Aber zum Essen seien die in dreißig Jahren noch nie vorbeigekommen.

Sie sieht auf ihre Weinstöcke, die wie immer beschnitten werden wollen, „Geld ist mit dem Wein nicht zu machen“. Auf die Olivenbäume, die hoffentlich – toi toi toi – nicht von der Krankheit betroffen sind, die letztes Jahr in der Region die Olivenernte zerstört hat.

Die Kinder wollen vom Weinanbau nix wissen. Und so steht das Gut zum Verkauf. 1,2 Millionen wollen die ehemalige Krankenschwester und der ehemalige Schiffsingenieur dafür haben. Ich sehe aufs Haus.

„Warum denn die Bauarbeiten am Dach? Hat es reingeregnet?“ fragt mein Mann. „Ja“, sagt Kaja und lacht. „Ich habe mein Schlafzimmer nach unten verlegt.“

„Das kriegen sie dafür garantiert nie!“ sage ich, betrunken, auf der Heimfahrt zu meinem Mann, während der wilde Maremannohund hinter unserem Auto herrennt. „Schrecklich, hier dreißig Jahre so isoliert gelebt zu haben“, sagt mein Mann.

Witzig aber, dass es nach allen Widrigkeiten der italienische Schäferhund gewesen ist, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle. Einen Sammelband mit ihren „Hamburger Szenen“ aus der taz.hamburg hat der Verlag Michason & May unter dem Titel „Hamburg Walking“ veröffentlicht.