Der Rand und die Mitte

INKLUSION Was kann – und darf – Theater mit Menschen mit Behinderung? Wenn das Festival „Mittenmang“ ab Mittwoch zwölf inklusive Bühnenproduktionen im Theater Bremen und auf dem Goetheplatz präsentiert, sind Debatten ausdrücklich erwünscht

Die MacherInnen sprechen von einer „musikalischen Völkerschau“: So bezeichnen das Gießener Performancekollektiv Monster Truck und das Berliner Theater Thikwa das gemeinsam produzierte Stück „Dschingis Khan“: Drei in zottelige mongolische Felljacken gehüllte Performer mit Down-Syndrom bekommen darin vom Bühnenrand Handlungsanweisungen, werden zu Tableaux arrangiert, um erklärtermaßen „das größtmögliche Andere zu produzieren“: Dschingis Khan, erklären die MacherInnen, „erscheint degradiert zu einer billigen Kirmesattraktion, in der sich Vorstellungen von fremdländischer Exotik mit landläufigen Ideen von geistiger Behinderung vermischen“.

Das Stück hat eine Grundsatzdiskussion ausgelöst: um die Autonomie und die Authentizität von Menschen mit geistigen Behinderungen auf der Bühne. War das nun abgründiges Diskurstheater, eine Farce auf die Inszenierung des Authentischen im Theater – oder doch nur eine zynische Versuchsanordnung? Eine gewollt politisch unkorrekte Schnapsidee, die Behinderte ausstellt und vorführt? „Regie“ jedenfalls heißt der theatrale Kommentar zur damaligen Kritik, ebenfalls eine gemeinsame Produktion von Monster Truck und Theater Thikwa.

Dieselben Performer – Oliver Rincke, Sabrina Braemer und Johnny Chambilla – firmieren nun als Regisseure der Inszenierung und treten auch in dieser Rolle auf. Sie inszenieren jeweils einen Teil des Stücks. Nach der systematischen Erniedrigung nun also Emanzipation auf Bühnenbrettern? Eine einfache Antwort gibt es auch diesmal nicht.

Zu sehen ist „Regie“ am Sonntag, 17. Mai, zum Abschluss des Festivals „Mittenmang“, das die „Lebenshilfe gGmbh Kunst und Kultur“ gemeinsam mit dem Blaumeier-Atelier und dem Theater Bremen veranstaltet. Ab Mittwoch präsentiert es erstmals in verschiedenen Spielstätten des Theaters und zudem draußen auf dem Goetheplatz acht internationale inklusive Produktionen, darunter auch das bislang erfolgreichste Theaterprojekt mit Künstlern mit Behinderungen: das „Disabled Theater“ des Choreografen und Tänzers Jérôme Bel und des Zürcher Theaters Hora (16. Mai, Kleines Haus).

Dass es wiederum zu – auch hitzigen – Debatten darüber kommen möge, was Theater mit Performern mit Behinderungen kann und darf, ist dabei ausdrücklich erwünscht. Zwar seien einige inklusive Produktionen und Ensembles schlagartig mittenmang im Theaterbetrieb angekommen, sagt der Festivalinitiator Andreas Meder – als selbstverständlicher Bestandteil des Kulturlebens aber gälten Künstlern mit Behinderungen noch lange nicht.  MATT

■ Mi, 13. 5. bis So, 17. 5., Theater Bremen