Auf der Suche nach dem Grün der Grünen

NACHWAHL Bremens Grüne fühlen sich ungerecht abgestraft von den WählerInnen: In Zukunft wollen sie ihre Arbeit besser verkaufen – aber sonst nichts daran ändern

■ 158.800 Stimmen bekamen die Grünen am 10. Mai – 93.063 weniger als 2011.

■ Laut Nachwahlbefragungen gaben sie die meisten Stimmen an die Gruppe der NichtwählerInnen (-7.500) und an Die Linke (-4.500) ab, CDU, SPD und FDP wandten sich je 1.500 Ex-Grün-Sympathisanten zu, 1.000 machten Kreuzchen bei der AfD.

■ 69 Prozent der Befragten werteten 2011die Grünen als wichtiges Gegengewicht zur SPD, 2015 nur noch 50 Prozent.  BES

Woran lag’s? Wie geht es weiter? Zur Diskussion darüber hatten die Grünen ihre Mitglieder eingeladen, und gut 300 waren eine Woche nach der verheerenden Niederlage ins „kwadrat“ an der Friedrich-Ebert-Brücke gekommen. „Es darf alles auf den Tisch“, forderte Vorstandssprecher Ralf Saxe seine grünen FreundInnen auf. Bei aller Kritik an der Wahlkampagne – man könne in vier Wochen Wahlkampf nicht aufholen, was vier Jahre falsch gemacht wurde, sagte Vorstandssprecherin Henrike Müller.Vielen, die vor vier Jahren „grün“ gewählt hatten, habe offenbar in der Koalition die „grüne Handschrift“ gefehlt. Die Grünen erschienen ihr „debattenmüde“ und „mutlos“, zu sehr in sich geschlossen.

Die Abgeordnete Sylvia Schön hatte das so auf den Punkt gebracht: „Nicht alle finden im Moment offenbar ausreichend Argumente, warum sie uns wählen sollten. Wir sollten gemeinsam diskutieren, wie wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen können.“ Das gehe nur, „wenn wir den Menschen darlegen können, was sie von uns haben. Und das ist in der Regel sehr konkret.“ Das war allerdings vor zwei Jahren – als das Ergebnis bei den Bundestagswahlen 2013 ähnlich schlecht ausfiel.

Was also erwarten die Menschen konkret von den Grünen? Cecilie Eckler-von Gleich erklärte, dass sie das „klare grüne Profil“ von der Arbeit des Umweltressorts erwarten würde. „Joachim hat eine gute Arbeit gemacht“, da gebe es aber eine „Schere in der Außendarstellung“. Also die Pressesprecher.

Barbara Schneider, Sprecherin des Beirates Schwachhausen, sagte dasselbe für die Sozialsenatorin: „Super im Bereich Flüchtlinge“ habe Anja Stahmann gearbeitet, Bremen sei bundesweit ein „leuchtendes Vorbild“ – nur wüssten das die WählerInnen offenbar nicht. Die Grünen müssten ihre Arbeit „besser verkaufen“ und die Umweltpolitik nach vorn bringen, meinte Merrit Trapp.

Und die Finanzpolitik der Spitzenkandidatin? Die sei eben nicht „sexy“, da waren sich alle einig, trotzdem gehöre die Arbeit von Karoline Linnert unter dem Kriterium der Nachhaltigkeit zu den „Kernthemen“ der Grünen. Nur die 200 Millionen Euro für das Offshore-Terminal, die hätten viele gern für kommunale Aufgaben ausgegeben. Die SPD wolle jetzt die Osterholzer Feldmark bebauen? Nicht mit uns, forderte Maike Schaefer: „Wir dürfen die grüne Seele nicht verkaufen.“

Das war mit das Konkreteste, was der Abend erbrachte. Der Umweltsenator äußerte sich nicht zu der Frage des grünen Profils. Anja Stahmann betonte, bei allen Kompromissen habe sie in den Jahren als Senatsmitglied sehr viel mehr bewegen können als davor aus der Opposition heraus. Allein Hermann Kuhn deutete an, dass es nicht nur an den Pressesprechern und der Vermarktung gelegen haben könnte, sondern auch an Akteuren: Er erklärte, die Grünen müssten in den Koalitionsverhandlungen offen sein für Veränderungen in der Besetzung und den Zuschnitten der Ressorts. Diese Frage öffentlich zu stellen, traute sich aber niemand.  KAWE

Unter dem Titel „Viele Kreuze – wenig Wähler“ laden Heinrich Böll-Stiftung und taz.nord zur Podiumsdiskussion über Wahl und Wahlrecht am 9.6., 19 Uhr im Lagerhaus