139 Gräber, 28 Lager

MALAYSIA Der jüngste Fund bestätigt, was die Regierung bislang wiederholt bestritten hat: An der Grenze zu Thailand, unter der Nase des Mililitärs, agieren Menschenhändler

■ Geflüchtet: Seit 2014 flohen Schätzungen zufolge 120.000 Rohingya aus Birma, davon 25.000 in den ersten drei Monaten dieses Jahres.

■ Woher: Gut eine Million Rohingya leben in Birma. In Bangladesch, in Thailand, Malaysia und einigen Golfstaaten sind es eine weitere Million.

■ Wo in Birma: In Birma leben die Rohingya im westlichen Staat Rakhaing an der Grenze zu Bangladesch. Im Norden sind die Rohingya die Bevölkerungsmehrheit, im Süden buddhistische Rakhine.

■ Abgelehnt: Auch die Rakhine sehen sich in Birma marginalisiert. Sie lehnen aber wie viele Birmesen die Rohingya ab – und behaupten ebenso, dass die Rohingya ursprünglich aus dem benachbarten Bangladesch stammten und nicht nach Birma gehören. (han)

VON NICOLA GLASS

BANGKOK taz | Den grausigen Fund machten malaysische Zeitungen bereits am Sonntag bekannt: Im nordwestlichen Bundesstaat Perlis an der Grenze zu Thailand seien Massengräber gefunden worden, berichteten sie. Einen Tag später gab der Polizeichef des südostasiatischen Landes, Khalid Abu Bakar, bekannt, man habe 139 Gräber entdeckt und vermute, dass es sich bei den Toten um muslimische Rohingya aus Birma (Myanmar) sowie um Flüchtlinge aus Bangladesch handelt. Im Zuge der Ermittlungen habe man außerdem 28 von Menschenhändlern betriebene Lager entdeckt.

Malaysias Premierminister Najib Razak gab sich schockiert: Er sei „zutiefst besorgt“.

Die nun zur Schau getragene Betroffenheit kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung zuvor wiederholt erklärt hat, es gebe kein systematisches Schleppertum in Malaysia. Doch die Bilder der verzweifelten Flüchtlinge aus Birma und Migranten aus Bangladesch in ihren elenden Booten auf den südostasiatischen Gewässern – und jetzt die Gräberfunde – sprechen für sich. Dem autokratisch regierenden Najib blieb nicht anderes übrig, als einzuräumen, dass sich Malaysia von diesen Verbrechen nicht freisprechen kann.

Menschenrechtler und Oppositionelle werfen der Regierung Heuchelei vor: Sie habe es an politischem Willen fehlen lassen, gegen Menschenhandel vorzugehen. Anders sei es nicht zu erklären, dass die Schlepper im malaysisch-thailändischen Grenzgebiet ungehindert ihren schmutzigen Geschäften hätten nachgehen können.

Das Gebiet steckt voller Polizei- und Militärposten, die kaum übersehen konnten, dass direkt unter ihrer Nase immer wieder Busse mit Fremden in Camps außerhalb der Dörfer gebracht werden. Ein US-Bericht über Menschenhandel und Sklaverei von 2014 hat Malaysia – ebenso wie Thailand – in die schlechteste Länderkategorie eingestuft.

Auf der anderen Seite der Grenze, in Thailand, erklärte die Polizei indes, nach den Razzien der vergangenen Wochen existierten dort keine Schleusercamps. Anfang Mai hatten die Behörden im Süden ebenfalls Massengräber mit zumeist verwesten Leichen von Flüchtlingen entdeckt. Die Regierung erklärte, sie werde den Schleppern das Handwerk legen. Inzwischen sind mehrere Funktionäre und Geschäftsleute verhaftet worden, die an dem Geschäft kräftig mitverdient haben sollen.