TIM CASPAR BOEHME LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Unsterblichkeit: Arbeit am ewigen Leben

Liebster Gott, wenn werd ich sterben?“ heißt eine Kantate von Johann Sebastian Bach. „Meine Zeit läuft immer hin“, lautet es dort im Eingangschoral, dazu wiederholt die Flöte einzelne Töne wie eine tickende Uhr. Die Frage des – relativen – Nicht-verfügen-Könnens über das eigene Lebensende dringt aber nicht nur unter Religionsanhängern auf Antwort. Auch säkular sozialisierte Menschen werden, bewusst oder unbewusst, von der eigenen Sterblichkeit bedrängt. Doch was wäre, könnte man den Zeitpunkt des Todes stets weiter hinausschieben?

Menschen werden, grob gesagt, immer älter. Zudem arbeiten Wissenschaftler an der Überwindung biologischer Hindernisse, so der Philosoph Sebastian Knell in seinem Buch „Die Eroberung der Zeit. Grundzüge einer Philosophie verlängerter Lebensspannen“ (Suhrkamp 2015): „Bereits erzielte sowie für die nähere und fernere Zukunft prognostizierte Fortschritte in Gentechnologie, Biogerontologie und Nanotechnologie geben heute Anlass zu der Spekulation, der modernen Wissenschaft könnte der außergewöhnliche Coup gelingen, den natürlichen Alterungsprozess des menschlichen Organismus […], der bisher nach einer Lebensdauer von maximal 120 Jahren zum Tod führt, systematisch zu verlangsamen oder eines Tages sogar komplett zum Stillstand zu bringen.“

Knell begegnet den hochfahrenden Forscherträumen, irgendwann die „biologische Unsterblichkeit“ ermöglichen zu können, zwar mit Skepsis, hat sich aber schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie seine Disziplin zur ethischen Orientierung beitragen kann: Ist ein unendlich langes Leben auch ein gutes Leben? Kommt darauf an, lautet Knells Fazit. Ein bisschen ist es wohl wie mit der eigenen Biografie: Man weiß erst in der Rückschau so richtig, ob die Sache gelungen ist oder nicht.

Der Autor ist freier Mitarbeiter der Kulturredaktion