Der Unfreien Markt

JVA „Handgemacht von bösen Buben“: Im Bremer Strafvollzug herrscht Arbeitszwang, den freien Markt sehen die Produkte meist nur von fern. Zu Besuch beim Knast-Basar

Als „Zwangsarbeiter“ will sich hier auf dem Markt niemand bezeichnen lassen

VON JAN-PAUL KOOPMANN

Man könnte es für einen gewöhnlichen kleinen Kunsthandwerker-Markt halten, wären da nicht diese Kunden in dunklen Uniformen. Sie kaufen Spielzeug für die Kinder zu Hause oder essen Bratwurst an den Bierzeltgarnituren, auf diesem hinter großen alten Backstein-Häusern versteckten Markt. Nicht direkt hier, aber doch unübersehbar ragen jenseits der Dächer noch höhere Mauern auf – mit mehrfach gerolltem Stacheldraht.

Auf diesem „Sommerbasar“ der JVA Bremen stellen die Knast-eigenen Betriebe ihre Produkte aus oder verkaufen Sachspenden von draußen. Zwischen den Ständen eilt Marion Nitschmann umher und bietet Tombola-Lose an. Der mittlerweile jährliche Basar war ihre Idee. Die Einnahmen gehen an die Projekte der Gefangenen. In den vergangenen Jahren wurde ein Teich angelegt oder ein Herd für den Jugendvollzug angeschafft. Nitschmann arbeitet ehrenamtlich und ist in die Arbeit mit Gefangenen „eigentlich nur zufällig reingerutscht“, sagt sie. Hinter den Ständen stehen nur wenige Gefangene. Denn um hier verkaufen zu dürfen, brauchen sie Freigang.

Dass die Gefangenen heute einmal direkt von den Verkäufen profitieren, ist eine Ausnahme. Normalerweise werden sie nach Tagessätzen bezahlt. Die liegen knapp über zehn Euro, je nach Aufgabe und Qualifikation – und nach Gesundheitszustand, denn Krankengeld gibt es nicht. Im Bremer Knast herrscht Arbeitspflicht. Einige andere Bundesländer haben die abgeschafft. Und als das seit Januar geltende Landesstrafvollzugsgesetz noch diskutiert wurde, gab es auch hier Kritik: Die Gefangenen seien schließlich zum Freiheitsentzug verurteilt, hatte etwa der Strafrechtler Johannes Feest im taz-Interview gesagt, „und zu nichts anderem“.

Hier scheint das eher ein theoretisches Problem zu sein. Es gibt weit mehr Gefangene als Jobs und einen „Zwangsarbeiter“ lässt sich hier auf dem Markt niemand nennen. Auch von Mindestlohn-Debatten, wie sie die im vergangenen Jahr gegründete „Gefangenengewerkschaft“ anstieß, will hier keiner etwas wissen. Die Arbeit tue gut, so der einhellige Tenor. So stehen sie da und verkaufen Feuerkörbe, Grills oder aufgepäppelte Räder. Ob einer Rankhilfen schweißt oder Holzspielzeug aussägt, entscheidet der Vollzugsplan nach Ausbildungsstand, Gesundheit und Teamfähigkeit.

Weil Bargeld im Knast verboten ist, geht der Lohn auf‘s Konto. Davon können dann kleinere Bestellungen aufgegeben werden: Tabak, Zeitschriften oder besondere Nahrungsmittel. Auch das sogenannte Übergangsgeld wird auf diesem Wege angespart. Das soll sicherstellen, dass die Gefangenen nach ihrer Entlassung nicht vollkommen mittellos dastehen. Und die meisten von ihnen haben auch noch Schulden abzubezahlen – bei ihren Anwälten etwa.

Manche landen hier gar bei der Kunst: in den Bildhauerwerkstätten des Vereins „Mauern öffnen“. Dessen Vorsitzender, Hans-Henning Hoff, legt großen Wert darauf, dass seine Leute in „Produktionswerkstätten“ arbeiten und nicht „irgendwie in der Freizeit Kunst machen“, wie er sagt. Hoff war früher hier in Oslebshausen Anstaltsleiter.

Dass Gefangene über Mitarbeit in Kunstprojekten ihrer Arbeitsverpflichtung nachkommen können, ist keine Selbstverständlichkeit. Auf dem freien Markt aber landet auch von diesen Waren wenig. Stattdessen wird die Werkstatt durch den Europäischen Sozialfonds finanziert – dafür schmücken die Arbeiten an über 400 Orten das Bremer Stadtbild.

Am Grill ist die „Knasteria“ präsent – die von Gefangenen betriebene Mitarbeiter-Kantine. Die hat mit Tomaten-Salsa und Mango-Chutney im Glas sogar eigene Produkte im Angebot. Fernsehkoch Steffen Henssler hat sie im vergangenen Jahr zusammen mit Gefangenen kreiert. Weil seine RTL-Show damals fröhlich kochenden Verbrechern ein Podium gab, wurde das Projekt unter anderem von der Polizei scharf kritisiert. Viele Supermärkte weigerten sich, die Saucen zu vertreiben. Die Werbekampagne der „Knasteria“ zeugt immerhin von Selbstbewusstsein: „Handgemacht von bösen Buben“, heißt es auf dem Etikett.