ALLES GUT
: In Flip-Flops tanzen

Welch wunderbare Beleidigungen hätten kommen können

„Oh, Entschuldigung!“ Der alte Mann im Bus zieht schnell seinen Fuß weg, mit dem er an P. gestoßen ist, meinen Besuch. P. hat seinen ersten Tag in Berlin, er beachtet die Höflichkeit nicht weiter.

In Badelatschen und gemütlichen Hosen schlappen wir zum Plötzensee. P. macht aus Versehen etwas Mutiges, er geht auf dem Radweg. „Tschuldigung!“, ruft es freundlich von hinten. Ein Radfahrer fährt vorsichtig um ihn herum. Ich schaue P. an. Welch wunderbare Beleidigungen da jetzt auch hätten kommen können, ich sage es ihm nicht.

Als die Sonne nicht mehr knallt und hinter den Bäumen verschwunden ist, ziehen wir weiter. Wir fahren nach Friedrichshain, um tanzen zu gehen. Immer noch im See-Outfit laufen wir zum Elektroclub M.I.K.Z. Die Türsteher sind gut drauf: P.s Flip-Flops und meine zerfransten Shorts übersehen sie, wir sind drin. Die Bässe wummern.

Jemand tippt mir auf die Schulter, eine fertig gerauchte Zigarette glimmt vor meinen Augen. „Sorry, where do you put this?“ Die Zigarettenbesitzerin erklärt, dass sie aus Schottland komme, und da dürfe man in Clubs nicht rauchen. Wo sie jetzt die Zigarette hintun solle. Ich zeige auf den Boden, sie schaut verunsichert. Dann geht sie zum Rand der Tanzfläche und legt ihre Kippe eher vorsichtig ab, als sie wegzuschnipsen.

Ich setze mich auf die Couch. Ein Typ mit fleischigen Oberarmen beugt sich zu mir. Er fährt sich unsicher durch die Frisur: „Ich weiß, das ist ne komische Frage, aber hast du Haarspray dabei?“ Meine Haare liegen wie immer flach und ungekämmt am Kopf. Ich denke an das Haarspray aus meiner Teenagerzeit, das nach Krankenhaus roch und von allen benutzt wurde. Auch meinen gammligen See-Look scheint der Typ in den aufblitzenden Lichtern zu übersehen. P. tanzt selbstvergessen vor mir.

MARION BERGERMANN