WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Wer hats erkannt? Die Russen

Jetzt also „Torus“. In der Mathematik steht dieses Wort für eine wulstartig geformte Fläche mit einem Loch in der Mitte. In etwa in der Gestalt eines Rettungsrings, eines Reifens oder eines Donuts. In der Sprache der Geheimdienste meint Torus aber etwas völlig anderes. Es ist das Synonym für die totale Überwachung der satellitengestützten Kommunikation – und das weltweit.

In einem Gastbeitrag für das Magazin Wired beschrieb der britische Autor Duncan Campbell vor zwei Wochen die technische Seite von Torus. Es handelt sich demnach um über den Globus verteilte riesige Antennenanlagen, von denen jede einzelne bis zu 35 Kommunikationssatelliten gleichzeitig überwachen kann. In den vergangenen acht Jahren haben danach die westlichen Geheimdienste sechs solcher Torus-Anlagen neu errichtet. In Großbritannien, in Zypern und Oman, wie auch in Australien und Neuseeland. Eine früher gebaute Anlage der US-Streitkräfte belauscht in Egelsbach (etwa 4 Kilometer südöstlich des Flughafens von Frankfurt am Main) die internationale Satellitenkommunikation.

Rund 400 kommerziell betriebene Satelliten wickeln im Orbit in 36 Kilometern Höhe in geostationären Positionen die weltweiten Fernmeldeverkehre ab. Bedeutend ist das heute vor allem für die Regionen der Welt, die noch nicht durch die großen Glasfaserkabelverbindungen, die sogenannten Backbones der Internetwelt, erschlossen sind. Nicht zufällig fallen unter diese Gegenden auch zahlreiche Krisengebiete: Afghanistan etwa, Pakistan, Somalia oder der Irak.

In der Welt der Überwachung und der Geheimdienste kann man nicht vorsichtig genug sein. Überall lauern Falschinformationen und Verschwörungstheorien – und die Gefahr der maßlosen Übertreibung. Mit Duncan Campbell als Berichterstatter darf man sich aber auf der sicheren Seite fühlen.

Campbell ist Verfasser diverser Standardwerke zur National Security Agency (lange, lange vor Mr Edward Snowden). Er hat im Auftrag des Europäischen Parlamentes um die Jahrhundertwende das Spionagekonglomerat Echelon (es ist das Vorgängersystem von Torus – siehe: bit.ly/1enkDSD – untersucht, und vor drei Jahrzehnten hat er die Briten mit der Existenz des Geheimdienstes GCHQ konfrontiert.

Jetzt hat er mit Kollegen im Auftrag des kalifornischen Nautilus Institute for Security and Sustainability die Fernmeldeüberwachung erforscht (bit.ly/1enkL4t). Mit einem überraschendem Ergebnis: Die Russen waren die ersten, die die Bedeutung der Satellitenüberwachung erkannten.

15 Kilometer vom Schwarzmeerhafen Odessa entfernt errichteten die Sowjets noch vor dem Fall der Mauer in der heutigen Ukraine die Spionagebasis „Ovidiopol-2“. Sie war der Kronjuwel der sowjetischen Aufklärung. Mit dem schönen Namen: Der Kamm.

Der Autor ist Redakteur der taz Foto: privat