Kritik sofort, Krieg später

USA wollen offensichtliche Fehler im irakischen Waffenbericht an die UNO noch nicht zum Anlass für einen Krieg machen. Chef der UN-Waffeninspektoren sieht Lücken in Saddam Husseins Bericht

GENF dpa/afp/taz ■ Trotz wachsender Kritik im UNO-Sicherheitsrat an dem irakischen Rüstungsbericht wird der Rat frühestens Ende Januar einen „erheblichen Verstoß“ Bagdads gegen die UNO-Resolution 1441 feststellen. Erst danach könnte möglicherweise eine zweite Resolution die ausdrückliche Ermächtigung zu einem Krieg gegen Irak erteilen. Diese Entwicklung zeichnete sich bei der gestrigen ersten Diskussion des Sicherheitsrates über den Bericht ab, die bei Redaktionsschluss der taz noch andauerte.

Die Regierung in Washington sei sich zunehmend sicher, dass sie bis Ende Januar genügend Beweise für irakische Verletzungen der UN-Resolutionen gesammelt haben werde, um auch die zögerlichsten Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zu überzeugen, berichtete die Washington Post. Neben der bereits seit letzter Woche öffentlich vorgetragenen Kritik der USA und Großbritanniens an „Lücken und Widersprüchen“ in dem Bericht äußern inzwischen intern auch französische UNO-Diplomaten erhebliche Bedenken gegenüber den Angaben der irakischen Regierung. Zudem sei der Zeitraum Ende Januar, Anfang Februar nach Ansicht der US-Militärs ein „optimaler Monat“ für eine Invasion in Irak, berichtete die Washington Post.

Nach Angaben des Chefs der UN-Waffeninspektionskommission, Hans Blix, enthält der irakische Bericht kaum neue Informationen im Vergleich mit den Feststellungen der UNO-Inspekteure, die von Mai 1991 bis Ende 1998 im Irak waren. Allerdings enthalte der Rüstungsbericht einige Lücken und Widersprüche, die noch geklärt werden müssten. Dazu brauchten die UN-Inspektoren noch mindestens vier Wochen, erklärte Blix.

Am 26. Januar will Blix dem Sicherheitsrat dann einen ersten offiziellen Bericht vorlegen. Die bisherige Zusammenarbeit Iraks mit den Inspektoren bezeichnete Blix vor Beginn der gestrigen Sitzung des Sicherheitsrates als gut.

Großbritannien relativierte gestern seine Anschuldigungen gegen Saddam. Auslassungen in den irakischen Angaben allein seien noch kein Verstoß gegen die UN-Resolution, sagte der britische Außenminister Jack Straw im BBC-Rundfunk. Um einen klaren Verstoß feststellen zu können, müsse es neben „Lücken“ in der Waffendeklaration auch die Weigerung Iraks geben, vollständig an der Umsetzung der Resolution mitzuwirken.

Nach den fünf Vetomächten im Sicherheitsrat erhielten inzwischen auch die zehn nichtständigen Mitglieder einen Einblick in den irakischen Rüstungsbericht. Ihnen wurde eine auf 3.500 Seiten gekürzte und zensierte Version übergeben, die keine Details über die Herstellung von Massenvernichtungswaffen enthält. Auch Hinweise auf ausländische Firmen wurden aus dem Bericht entfernt.

Syrien erklärte, man werde die zensierte Fassung des Berichts zurückgeben. Der syrische UN-Botschafter Michail Wehbe erklärte in New York, nach der entsprechenden Resolution seien alle Mitglieder des Sicherheitsrats berechtigt, eine vollständige Kopie des Berichts zu erhalten. AZU/KLH

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