Schwarze Fluten ohne Ende

Auch im neuen Jahr werden Galicien und die angrenzenden Küstenregionen keine Ruhe bekommen. Noch birgt die gesunkene „Prestige“ zehntausende Tonnen Öl. Und die treten nach und nach aus. Gestoppt werden können sie auf absehbare Zeit nicht

von REINER WANDLER

Der Wind gewährt den Fischern in Galicien zum Jahresende eine Verschnaufpause. Er bläst aus Südsüdwest und treibt damit die Ölteppiche von den Rías Baixas und der Costa da Morte weg. Doch die Freude dürfte von kurzer Dauer sein. Denn auf hoher See braut sich bereits neues Unheil zusammen.

Wo das Tankschiff „Prestige“ Ende November auseinander brach und versank, haben sich zwei riesige Ölflecken gebildet. Sie bestehen aus 4.000 Tonnen Schweröl und treiben auf Galicien zu. Im neuen Jahr bleibt den Bewohnern der nordwestspanischen Küste nichts übrig, als sich auf die vierte „marea negra“ – schwarze Flut – vorzubereiten.

Ein Ende der immer neuen Umweltkatastrophen ist nicht in Sicht. Denn noch immer lagern zwischen 40.000 und 50.000 Tonnen Schweröl in den Tanks, der untergegangenen „Prestige“. „Aus dem Wrack tritt deutlich weniger Öl aus als noch vor ein paar Wochen“, versucht der spanische Vizeregierungschef Mariano Rajoy, der den Krisenstab leitet, die Galicier zu beruhigen. Wie schon so oft zuvor stellte sich auch diese Aussage wieder als Lüge heraus. 26 statt wie bisher angegeben 14 Risse weisen die beiden Wrackteile in 3.600 Meter Tiefe auf. Alle Tanks des Heckteils sind defekt. Mindestens 150 Tonnen Schweröl gelangten Tag für Tag an die Oberfläche, bestätigt das Hydrografische Institut im Nachbarland Portugal. Bevor „deutlich weniger Öl“ ausströmte, sprach Rajoy gerade von 125 Tonnen.

Die vorübergehende Entwarnung für die galicische Küste bedeutete gleichzeitig höchste Alarmstufe für die benachbarten Regionen. In Kantabrien, Asturien und im Baskenland werden Ölteppiche angeschwemmt. In den nächsten drei Tagen soll die scharze Flut auch an Frankreichs Westküste ankommen. Die Bekämpfung des Schweröls wird immer komplizierter. Denn durch den hohen Seegang sind viele Ölflecken in tausende kleine Klumpen zerfallen.

Was mit dem Wrack wird, bleibt unklar. Bisher konnten nur fünf Risse mit Metallplatten abgedichtet werden. Das französische Mini-U-Boot „Nautile“, das bei diesen Arbeiten eingesetzt wird, liegt seit Tagen im Hafen von Vigo. Es kann wegen des starken Seegangs nicht tauchen.

Wie die Lösung nun aussehen soll, weiß auch Rajoy bislang nicht. Ob die Tanks letztlich leer gepumpt oder in einen Betonsarkophag eingegossen werden – die Techniker betreten auf jeden Fall Neuland. Noch nie wurden in so großer Tiefe ähnliche Arbeiten durchgeführt.

Egal, für was sich die spanischen Behörden entscheiden: Vor Mai werden die Arbeiten nicht beginnen können. Erst dann flauen die Winter- und Frühjahrsstürme ab. Der Atlantik an der Todesküste wird dann etwas ruhiger. Wenn sich die Lage des Wracks nicht verschlechtert, werden bis dahin noch 16.000 Tonnen Schweröl austreten. Doch es können auch mehr werden: Der Druck von 360 Atmosphären verformt das Wrack. Dass immer neue Risse entstehen, ist mehr als wahrscheinlich.

Angesichts dieser katastrophalen Situation wird die Kritik an der damaligen Entscheidung der spanischen Regierung, die „Prestige“ statt in einen Hafen aufs offene Meer zu schleppen, immer lauter. Der Kapitän des Tankers, der Grieche Apostolos Mangouras, hatte mehrmals vergeblich versucht, eine Genehmigung zu bekommen, um einen Hafen anzulaufen. „Die spanischen Behörden schickten das Schiff aufs offene Meer. Dort wurde der Riss immer größer“, erklärte der Kapitän bei einem Verhör vor Gericht. Ihm sei nie gesagt worden, wohin er nach dem Verlassen der spanischen 120-Meilen-Zone fahren solle.