Atlético Madrid gegen Bayern München: „El Niño“ lehrt wieder das Fürchten

Fernando Torres hat bei seinem alten Klub Atlético zu erstaunlicher Stärke zurückgefunden. Auch jetzt dreht sich alles um die Vertragslaufzeit.

Fernando Torres von Atlético Madrid im Spiel gegen Bilbao

Fernando Torres trifft und trifft und trifft. Auch gegen Peps Bayern? Foto: reuters

MADRID taz | Der Hamburger bei Don Oso kostet 1,70 Euro. Pommes dasselbe. Und wenn man ein bisschen Glück hat, trifft man dazu noch Fernando Torres.

Zu Beginn seiner Karriere pflegte der Mittelstürmer von Atlético Madrid den Grill im Stadtteil Moncloa als Talisman. Je zuverlässiger er dort freitags mit seinen Kumpels aufschlug, desto sicherer schoss er am Wochenende seine Tore. Dann ging es nach Liverpool, London, Mailand. Zurück kam „El Niño“, das Kind, als gestandener Familienvater und Profi im Abschwung. Scheinbar. Denn als alles verfahren war, schlug sein Manager vor, doch mal wieder einen Burger essen zu gehen.

Es war Februar, und Torres, 32, spielte seit Monaten die Hauptrolle in einer Seifenoper der unglücklicheren Sorte. Im September hatte er gegen Eibar sein 99. Tor für Atlético geschossen. Fortan spekulierten Fans, Radiosender und Sportpresse vor jeder Partie, ob es diesmal so weit sein würde. Der 100. Treffer der lebenden Vereinslegende, er wurde erwartet, ersehnt, erfleht. „Er muss dieses Tor schießen, um den Druck wegzubekommen“, sagte Trainer Diego Simeone. Aber irgendwann hörten die Berichte auf. Das Thema wurde gemieden. Irgendwann war eine volle Halbserie ohne Tor vergangen, 19 Ligaspiele plus drei Pokalrunden plus Champions League.

Torres versuchte es gelassen zu nehmen. Er ist ja seit 15 Jahren im Geschäft, eine Ewigkeit im Fußball, zumal für einen Angreifer. Mit 17 debütierte er, damals spielte Atlético in der Zweiten Liga. Mit 19 wurde er Kapitän. In diesen dunklen Jahren war er das Einzige, was der stolze Verein hatte, er allein hielt Generationen von Fans bei der Stange. Das erklärt, was Torres im Estadio Vicente Calderón bedeutet. Als er Anfang 2015 nach acht Jahren in der Fremde zurückkehrte, kamen an einem spielfreien Wintertag fast 50.000 Leute zur Begrüßung. Torres hätte für immer ohne 100. Tor bleiben können und wäre trotzdem immer ein Held geblieben. Aber Torres ist auch Stürmer. Einem Stürmer geht es besser, wenn er Tore schießt.

Zwei Tage nach dem Besuch bei Don Oso ging es wieder gegen Eibar. Torres traf. Im nächsten Spiel traf er wieder. Und dann noch mal. Kürzlich traf er in fünf Spielen am Stück, das hatte er noch nie geschafft, der Welt- und Europameister, Champions-League- und Europa-League-Sieger. In Umfragen fordern zwei Drittel der Fans sein Comeback in der Nationalelf für die EM im Sommer. „Natürlich“ sei das auch für ihn ein Thema, sagte Auswahltrainer Vicente del Bosque am Wochenende. Das Champions-League-Halbfinale dürfte bei seiner Entscheidungsfindung eine Rolle spielen.

Der leichtfüßige Angreifer wurde zum stumpfen Panzer

Aus bayerischer Sicht kann es bessere Nachrichten geben als das Comeback des Angreifers, der Philipp Lahm im EM-Finale 2008 abhängte und beim „Finale dahoam“ 2012 zu Chelseas Partybreakern zählte. Atléticos junge Stars vergötterten ihn früher: die aus dem eigenen Nachwuchs wie Saúl und Koke („Fernando war das Beispiel für uns alle“), aber auch sein französischer Sturmpartner Antoine Griezmann („Beim Kicken auf der Straße habe ich seinen Torjubel imitiert“). Jetzt haben alle zusammen die Chance, zu erreichen, was Torres in seiner ersten Etappe unmöglich war – große Titel.

In Umfragen fordern zwei Drittel der Fans sein Comeback in der Nationalelf

Seine Stärken im Konterspiel passen ideal zu Atléticos Stil, der andere Mittelstürmer wie Mario Mandžukić oder Jackson Martínez zuletzt ruhmlos verschliss. Er harmoniert exzellent mit Griezmann, dem heutigen Star, und hat ein fast telepathisches Verhältnis zu Koke entwickelt, dem Mann für den entscheidenden Pass. So fiel auch der Auswärtstreffer beim FC Barcelona (1:2), der letztlich den Halbfinaleinzug bescherte, zunächst aber von Torres’ Platzverweis überschattet wurde. „Ich fühle mich schuldig“, sagte er danach. Bei einem wie ihm, bodenständig und selbstkritisch, sind das keine Worthülsen. Das Martyrium seiner erfolglosen Jahre fasst er mal so zusammen: „Ich verwandelte mich in einen Spieler, den ich selbst hassen würde.“

Torres versuchte alles, bepackte sich mit Muskeln, schnitt die Haare, gab sich kriegerisch. Der zu seinen Glanzzeiten so leichtfüßige, fast schwebende Angreifer wurde zum stumpfen Panzer. Selbst Simeone, mit dem er noch zusammen gespielt hatte, schien den Glauben zu verlieren. Während der Torkrise sagte er, eine Verlängerung der im Sommer auslaufenden Anstellung müsse sich Torres erst noch verdienen.

Inzwischen geht es nur noch um die Vertragslaufzeit. Alles andere wäre auch verdammt unromantisch, jetzt, wo die Haare wieder länger sind und sogar das jungenhafte Lächeln manchmal zurückkommt. Fernando Torres, „eine Legende, ein Idol, ein Weltstar“, wie Bayerns Javi Martínez sagt – für Atlético wird er immer „El Niño“ sein.

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