Aufnahmen von Siri und Alexa: Anhören oder abhören

Smarte Geräte schneiden mit, was ihnen gesagt wird, und die Anbieter lassen das transkribieren. Genau das ist der Job unserer Autorin.

Silhouette eines Menschen der in sein Telefon spricht. Im Hintergrund das Apple-Logo

Gesagt, notiert und korrigiert Foto: imago images/Zuma Press

Die deutsche Sprache hat viele Feinheiten – ich höre seit zehn Monaten Gesprächsfetzen oder Befehle aus der Spracherkennungssoftware namens Siri von Teilnehmern aus dem deutschen Sprachraum an, nicht ab. Ich sitze jeden Tag in einem Großraumbüro mit Kopfhörern vor dem Computer und höre sehr gut zu. Ist das, was ich höre, nicht verständlich, wird es als solches kategorisiert, gleichermaßen bei zufälligen, fremdsprachigen oder abgehackten Aufnahmen.

Wenn alles okay ist, schaue ich mir an, was die Software, zuständig für die schriftliche Erfassung und Wiedergabe, daraus gemacht hat. Manchmal muss ich die Qualität der Aufnahmen „graden“, also einschätzen und kategorisieren. Anfangs habe ich gefragt, wozu ich das eigentlich mache, darauf konnten mir die Manager allerdings keine Auskunft geben. Irgendwann war klar: Wenn das keine geheimdienstliche Tätigkeit ist (aber wozu?), dann eben Softwareoptimierung. Da braucht man anscheinend authentische Gespräche für die Verschriftlichung.

„Und du musst noch den Code eingeben“, sagt da jemand gut verständlich. Siri schreibt: „Und du muss doch den Kot eingeben.“ Die Lehrerin, die ich ja eigentlich bin, korrigiert also die automatische Transkription und schickt die neue Version ab. Abgesehen davon sorgt so was für einen Kicherer im tristen Alltag.

Nun regen sich also die User auf, weil ihre intimen Gespräche bezihungsweise Kommunikationsfetzen, die sie über Siri absetzen, „ab“gehört werden. Als ich mit dem Job anfing, war ich auch überrascht. Das geht? Aber warum eigentlich nicht? Ich hab keine Ahnung, wer irgendwas gesagt hat, bei mir ist alles strikt anonym. Aber vielleicht irgendwer an anderer Stelle?

Kein Trost möglich

Könnte man den Typen, der anscheinend Frau und Kind hat und nebenbei eine „geile Sau“ bedient, erpressen? Alles Menschliche kommt bei Siri an, im Guten wie im Schlechten, sozusagen. Deswegen wohl bezeichnen Kinder sie oft als ihre beste Freundin. Aber ich kann nichts machen.

Ich kann auch die Pubertierende nicht trösten, weil ihre beste Freundin sie nicht mehr sehen will. Das weinende Kind nicht, weil es „wieder alles falsch falsch gemacht hat“. Die Frau nicht, die irgendjemandem vom Tod der Mama berichtet. Ich kann höchstens auf die „Unverständlich“-Taste drücken, wenn mir der Dirty Talk, den so viele anscheinend gern mal schnell nebenbei losschicken, zu heftig wird.

Und dann wären da noch die, die sich tierisch aufregen und das Softwareprogramm namens Siri anbrüllen, was für eine dämliche Fotze sie eigentlich sei, dass sie so einen Scheiß schreibt. Wenn die wollen, dass das anscheinend als weiblich identifizierte Programm, welches auch für mich älteres Semester überraschenderweise häufig mit “Fotze“ betitelt wird, besser transkribiert, müssen sie dafür sorgen, dass wir „Transcribers“ und „Correctors“ unseren Job behalten. Ich dankenswerterweise in einem sich recht fair verhaltenden Unternehmen am Stadtrand von Barcelona.

Überlegt mal, was ihr wollt

Denn wenn die Maschine, deren Teil Siri ja ist, nicht eine riesige Menge an Daten eingefüttert bekommt, kann sie nicht lernen, dass das phonetisch gleichklingende Kot“ in bestimmten Kontexten graphemisch als „Code“ zu schreiben ist. Künstliche Intelligenz halt. Das findet ihr doch alle so geil!

Und Siri hat es gelernt. Fantastischerweise funktioniert es. Seit einigen Tagen steht da immer ganz perfekt „Code“ wenn jemand das Wort ausspricht! Ich wäre euch also dankbar, wenn ihr zum einen mit dem Fotze-Geschimpfe aufhört und euch zum anderen mal überlegt, was ihr wollt. Entweder überall alles herumplappern können und sich auch noch die „Arbeit des Fingerschreibens“ (User-O-Ton) zu ersparen oder eben nicht.

Ich hab ein (vorerst noch) bezahltes langes Wochenende vor mir, nachdem wir alle bis auf Weiteres nach Hause geschickt wurden, geh jetzt an den Strand und betrinke mich mit ganz viel kühlem Bier und schau aufs blaue Mittelmeer. Nimm das, User im deutschen Sprachraum!

Die Autorin hat in München Deutsch als Fremdsprache studiert und lebt seit 15 Jahren in Barcelona.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.