Auskunftsrecht von Adoptivkindern: Schweigen ist feige

Adoptivkinder haben ein Recht auf Kenntnis ihrer leiblichen Eltern, so der Bundesgerichtshof.

Babyfüße stecken zwischen den Füßen von zwei Erwachseen

Für viele Kinder ist es wichtig zu wissen, wer ihre leiblichen Eltern sind Foto: YAY Images/imago

Die meisten Menschen haben in ihrem Leben zwei bis fünf Sexualpartner:innen. Nur etwa 2 Prozent der Frauen nennen einer Statistik zufolge mehr als 30 Liebhaber. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass man sich ganz gut erinnert, mit wem man im Bett war.

Diese Erinnerung forderte eine mittlerweile erwachsene Tochter, die nach ihrer Geburt zur Adoption frei gegeben worden war, von ihrer leiblichen Mutter ein. Sie möchte wissen, wer ihr biologischer Vater ist. Dessen Identität konnte bislang aber nicht geklärt werden, weil die Mutter sich nicht erinnern will.

Aber das muss sie. Der Bundesgerichtshof stellte am Mittwoch in einem Urteil zu diesem etwas verworrenen Fall fest, dass Adoptivkinder selbstverständlich ein Recht darauf haben, zu erfahren, wer ihre leiblichen Eltern sind. In dem verhandelten Fall, wer der biologische Vater der jungen Frau ist.

Dieser Beschluss ist ein weiterer in einer Reihe unterschiedlicher Entscheidungen zum Kindschaftsrecht in den vergangenen Jahren. Er ist so nötig wie richtig. Nötig, weil andere Kinder dieses Recht längst haben, beispielsweise jene aus Samenspenden. Richtig, weil jedes Kind wissen sollte, woher es kommt, wer seine leiblichen Eltern sind.

Kein Grund, das eigene Kind zu belügen

Das Wissen um die biologische Herkunft ist zwingend für die eigene Identität. Viele Menschen, denen diese Auskunft verwehrt bleibt, sind ihr Leben lang damit beschäftigt, sich selbst zu finden. Folgen können sein: ständige Unruhe, Unsicherheit, Aggressivität. Nicht selten sind sie sogenannte Mittelpunktsmenschen.

Es mag Gründe geben, warum Mütter ihren Kindern den Namen des leiblichen Vaters verweigern. Peinlicher One-Night-Stand, beschämender Erzeuger, bedrückende Erinnerung. Alles verständlich. Aber kein Grund, das eigene Kind zu belügen. Erst recht nicht, wenn die Mutter – so wie im vorliegenden Fall – nicht einmal mit dem Kind zusammenlebt.

Die Zeiten, in denen Frauen mit Kindern aus dubiosen Beziehungen gesellschaftlich geächtet werden, sind längst vorbei. Jedenfalls in westlichen Ländern. Das Schweigen ist nicht mehr als Feigheit.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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