Autorin über Debütroman: „Drei starke, eigensinnige Frauen“

Autorin Elena Fischer erzählt in „Paradise Garden“ vom prekären Leben in einer Hochhaussiedlung. Ihre Protagonistinnen lassen sich nicht unterkriegen.

Wolken ziehen über die Hochhaussiedlung

Muss kein schlimmes Leben bedeuten: prekär anmutende Hochhaussiedlung, hier in Dietzenbach Foto: Boris Roessler/dpa

taz: Frau Fischer, werden Sie oft nach Ihrer ungarischen Großmutter gefragt?

Elena Fischer: Ich werde schon öfter gefragt, ob das Buch autobiografische Elemente hat. Was ich dann zurückweise und verneine, abgesehen von meinen ungarischen Wurzeln. Da ist es aber in der Tat so, dass meine beiden Großväter Ungarn-Deutsche waren und mich einer der beiden, der väterlicherseits, besonders geprägt hat. Er ist erst nach dem Krieg mit 20 nach Deutschland gekommen. Aber die ungarische Großmutter im Buch, die hat nichts mit diesem Großvater zu tun. Meine eigene Großmutter ist Deutsche.

Dahinter steckt der Eindruck, dass es heute nicht nur einen Trend gibt, autofiktional zu schreiben. Sondern eigentlich nur noch das – Sie sich also mit der Annahme konfrontiert sehen müssten, dass Sie da eben doch Ihr eigenes Leben beschreiben, Ihren eigenen familiären und sozialen Hintergrund.

Definitiv. Ich bin dann immer verwundert und denke: Ist es denn nicht mein Job als Autorin, mir Sachen auszudenken?

Wenn sie es definieren müssten: Was ist „Paradise Garden“ für ein Buch?

*1987, hat Komparatistik und Filmwissenschaft in Mainz studiert. Mit ihrem Debütroman „Paradise Garden“ war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert und den Debütpreis des „Harbour Front“-Festivals in Hamburg nominiert.

Oh, es ist vieles: eine Mutter-Tochter-Geschichte, ein Entwicklungsroman, vielleicht auch ein Familienroman. Es ist definitiv ein Buch über drei starke, eigensinnige Frauen. Und es ist eine Coming-of-age-Story. Was es nicht ist: eine road novel. Denn die road, das Reisen macht ja nur einen kurzen Teil der Handlung aus. Es geht mir auch mehr um die innere Entwicklung der Protagonistin.

Dafür sind Sie selbst ganz schön auf Reisen gewesen, nämlich, um Lesungen zu geben. Wer kommt da – Menschen, die den Schauplatz des Buches kennen, also: eine Hochhaussiedlung am Stadtrand? Oder eher nicht?

Wer besucht Lesungen? Also, heutzutage noch? Im Schnitt, glaube ich, ist es schon eher gebildetes, vielleicht auch akademisches Milieu. Aber es kommen durchaus auch Menschen, die unterschiedlich alt sind: Von denen, die mit ihren Eltern oder auch ihren Müttern kommen, bis hin zu 93-Jährigen, die das Buch gelesen haben. Ich habe sehr viele wirklich alte Männer im Publikum, die das Buch ganz toll finden – womit ich jetzt gar nicht gerechnet hätte.

Das finde ich aber auch überraschend.

Ich glaube, dass es wirklich ein breites Spektrum unterschiedlicher Menschen anspricht. Ab und zu ist mir aber auch schon jemand aufgefallen, der zum Beispiel in der Sozialarbeit beschäftigt ist und das Milieu kennt, in dem die Handlung spielt. Nicht unbedingt, weil die Person selbst so aufgewachsen ist, sondern weil sie professionell damit in Kontakt kommt.

Wie genau kannten Sie denn, wo – und wie – Ihre Figuren leben?

In Mainz gibt es ein Naturschutzgebiet, und darin steht eine Hochhaussiedlung, die mir ein bisschen Inspiration und Beispiel war für das Hochhaus, das ich im Roman beschreibe – allerdings wirklich stark verfremdet. Das hat mich immer auch fasziniert, darüber wurde auch schon journalistisch berichtet. Die Idee, Billie und Marika da reinzusetzen …

… Ihre Protagonistin und deren Mutter …

„Paradise Garden“, Diogenes, Zürich 2023, 352 Seiten, 23 Euro; E-Book 19,99 Euro

Nächste Lesungen:

Di, 30. 1., 19 Uhr, Bremen, Buchhandlung an der Domsheide;

Mi, 31. 1., 19 Uhr, Wilhelmshaven, Hotel Schöne Aussicht, Rüstersieler Straße 85;

Do, 1. 2., 20 Uhr, Osterholz-Scharmbeck, Die Schatulle/Buchhandlung Lies.Weise, Bahnhofstraße 98

… kam dann ganz natürlich. Wie genau sie dort leben, habe ich Dokumentationen über prekäres Leben und Kinderarmut in Deutschland entnommen. Der Rest war Fantasie: Die Fähigkeit, sich das Leben trotzdem so schön wie möglich zu machen, das Besondere im Alltäglichen zu sehen, das habe ich mir einfach ausgedacht. Damit wollte ich Marika und Billie ausstatten, weil ich finde, dass das eine universell gültige, schöne Fähigkeit ist. Etwas, das uns durchs Leben hilft, unabhängig von der finanziellen Situation. Das war mir wichtig.

Das Buch sei gleichermaßen traurig wie tröstlich, habe ich mehr als einmal gelesen. Haben Sie selbst das Lesen als tröstlich erlebt – oder tun das vielleicht immer noch?

Ja, immer. Und das Schreiben auch!

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