Beigelegter Tarifkonflikt bei der Post: Tarifkompromiss mit Wermutstropfen

Die Lohnerhöhung für Post-Beschäftigte kann sich sehen lassen. Aber warum kriegt der profitable Konzern einen Inflationsausgleich vom Staat?

Kundgebung von Verdi für höhere Löhne, eine Beschäftigte zeigt auf ihren Sticker, der 15 Prozent Lohnerhöhung fordert

Bei der Kundgebung im Februar hofften die Beschäftigten noch auf einen höheren Abschluß Foto: Bernd Thissen/dpa

Der erste große Arbeitskampf in diesem Jahr – fällt aus. Mit der Drohung eines unbefristeten Streiks ist es der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gelungen, die Deutsche Post zu einer annehmbaren Nachbesserung ihres Angebots zu bewegen. So verhärtet wie die Fronten schienen, kommt die Einigung überraschend. Herausgekommen ist ein klassischer Tarifkompromiss – den sich der Konzern gut leisten kann.

Wenn der Forderung nach prozentualer Lohnerhöhung ein Abschluss gegenübersteht, der aus einer Kombination zunächst von Sonderzahlungen mit einem späteren monatlichen Festbetrag besteht, ist das eine mit dem anderen nur schwer zu vergleichen. Aber das ist nötig, um das Tarifergebnis bewerten zu können. Deshalb eine grobe Rechnung: Eine ledige Postbeschäftigte mit bisherigem Bruttoeinkommen von 3.000 Euro wird 2023 etwa 8,2 Prozent mehr Lohn erhalten, auf die gesamte Tarifvertragslaufzeit gerechnet bis Ende 2024 sind es insgesamt etwa 9,2 Prozent. Das ist deutlich entfernt von den 15 Prozent, die Verdi nur für 2023 gefordert hatte.

Gewerkschaft und Arbeitgeberseite jonglieren mit wesentlich höheren Prozentzahlen. Aber das sind Rechentricks, propagandistische Nebelkerzen. Dabei kann sich ihr Kompromiss auch ohne Schönrechnerei sehen lassen, ist er doch besser als vergleichbare Abschlüsse in anderen Branchen in der vergangenen Zeit. Die pauschale monatliche Gehaltserhöhung um 340 Euro ab April 2024 zahlt sich vor allem für jene rund 87 Prozent der etwa 160.000 Postbeschäftigten aus, die bislang nur auf ein Grundgehalt zwischen 2.108 und 3.090 Euro brutto kommen. Gut so, schließlich treffen Besserverdienende die gestiegenen Lebenshaltungskosten weniger hart.

Aber es gibt zwei Wermutstropfen. Wenn die Prognosen zutreffen, werden die Postbeschäftigten zwar keinen weiteren Reallohnverlust erleiden. Doch das gleicht nicht den Verlust aus, den sie bereits erlitten haben. Hier rächt sich, dass sich die Gewerkschaft für 2022 mit einer jämmerlichen Gehaltssteigerung von 2 Prozent abspeisen ließ – zur Freude der Post, die in dem Jahr einen Rekordgewinn von 8,4 Milliarden Euro einstrich. Hinzu kommt das Problem mit der steuer- und abgabenfreien „Inflationsausgleichsprämie“: So sinnvoll dieses Instrument in der aktuellen Krise ist – es ist sehr fragwürdig, dass es auch ein hochprofitabler Konzern nutzen kann. Das dürfte ihm jetzt eine Ersparnis von mehr als 100 Millionen Euro bringen – auf Kosten der Allgemeinheit. Dabei hätte die Post genug Geld, um ihre Beschäftigten auch ohne staatliche Hilfe besser zu bezahlen.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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