Berlinale-Essayfilm „Architecton“: Abschied von Beton

Victor Kossakovskys neuester Film handelt von Gestein und was der Mensch daraus macht. Eine Konfrontation mit den Folgen des herkömmlichen Bauens.

zwei alte Männer spazieren durch eine Steinruine im nahen Osten, links von ihnen ein riesiger Steinquader, bestimmt fünfmal höher als die beiden

Ein Architekt, ein Regisseur und antike Überreste aus Stein Foto: 2024 Ma.ja.de.Filmproduktions GmbH/ Point du Jour, Les Films du Balibari

Im Prolog des Dokumentarfilms „Architecton“ schwebt die Kamera über zerstörte Plattenbauten einer ukrainischen Siedlung. Zwischen den Blöcken gibt sie den Blick frei auf eine anscheinend unbeteiligte Landschaft. Hinter den aufgebrochenen Betonfassaden stehen Nähmaschinen, Fernsehgeräte, Tische und Stühle in Wohnungen ohne Wände. Ein großes Transparent an einer Hauswand fordert „Kick Russia Out Of The UN“.

In Victor Kossakovskys Wettbewerbsbeitrag der Berlinale dreht sich alles um Gestein und was der Mensch daraus macht. Er zeigt Mega­steinbrüche in den Alpen, 3D-Betondrucker auf Baustellen und die gigantischen Trümmerlandschaften in der türkischen Region Kahramanmaraş nach dem Erdbeben 2023. Der Film begleitet auch den italienischen Architekten und Designer Michele De Lucchi in den Libanon zu einem antiken Steinquader faszinierender Größe in der Nähe der historischen Tempelanlage von Baalbek.

Zwischen diesen von der Kamera opulent eingefangenen Schauplätzen versucht der Essayfilm kommentarlos einen Dialog zu initiieren. Während die Ruinen der Antike tausende Jahre überdauern, um danach wieder mit der Landschaft zu verschmelzen oder Menschen erneut Baumaterial zu liefern, hinterlässt ein Betonabriss nach wenigen Jahrzehnten nur Sondermüll.

Kossakovsky inszeniert die gewalttätige Plünderung der endlichen Ressourcen in eindrucksvollen Luftbild- und detailreichen Großaufnahmen. Und, als ob dies noch nicht genug Effekt wäre, unterlegt er die Bilder zusätzlich noch mit dramatischer Musik oder vibrierenden Soundeffekten.

21. 2., 9.15 Uhr, Haus der Berliner Festspiele

25. 2., 12.15 Uhr, Zoo Palast 2

Ein magischer Kreis und ein kraftloser Schluss

In einer anderen Szene erleben wir Michele De Lucchi im Garten seines Landhauses mit Gehilfen einen „magischen Kreis“ aus Steinen anlegen, der danach von Menschen nicht mehr betreten werden soll. Doch wirkt diese Episode innerhalb des Films etwas unbefriedigend. Gerne würde man mehr von dem selbstkritischen 72-jährigen Architekten erfahren, dessen heitere Designentwürfe wie die Tolomeo-Leuchte oder die Pulcina Espressokanne seit den 1980er Jahren weltbekannt sind.

Am Ende scheint auch Kossakovsky, der zuletzt für „Gunda“, einen Dokumentarfilm über ein Hausschwein, 2020 gefeiert wurde, der Dramaturgie seines neuen Werks nicht mehr ganz zu vertrauen. Und so schließt „Architecton“ etwas kraftlos mit einer Art Nachbesprechung zwischen Architekt und Filmemacher in De Lucchis Garten.

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