Berliner Pilotprojekt gegen Radau: Rotes Licht für den Lärmschutz

Auf der Kreuzberger Admiralbrücke soll der holzvertäfelte „Lärmomat“ für Ruhe sorgen. Allerdings haben viele seine Funktion noch gar nicht erkannt.

Drei Menschen betrachten einen holzvertäfelten Quader mit integriertem Bildschirm

Der Lärmomat erntet verwirrte Blicke von Vorbeilaufenden Foto: dpa

BERLIN taz | „Ob ihr zu sehr am Pegel dreht, seht ihr, wenn das rote Licht angeht.“ Nein, hierbei handelt es sich nicht um eine Variante der ZDF-Sendung „1, 2 oder 3“, sondern um einen Versuch des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, den Lärm auf der Admiralbrücke zu reduzieren.

Auch unter der Woche ist auf der Brücke über den Landwehrkanal viel los. Menschengruppen sitzen auf dem Boden, Fahr­rad­fah­re­r*in­nen schlängeln sich durch, Spa­zier­gän­ge­r*in­nen schauen aufs Wasser. Am südlichen Ende steht seit drei Wochen der sogenannte Citytree-Lärmomat. Wie ein Baum sieht der rund vier Meter hohe, holzvertäfelte Quader mit angebrachter Sitzmöglichkeit nicht aus. Einen Beitrag zum Wohlergehen der An­woh­ne­r*in­nen soll der im Rahmen des Projekts „Fairkiez“ aufgestellte Kasten trotzdem leisten: Er ruft zu Ruhe auf und reinigt die Umgebungsluft.

Durch einen Lärmmesser ermittelt das Gerät den Geräuschpegel bei Nacht. Liegt die Lautstärke länger als zehn Minuten über 55 Dezibel, leuchtet der Automat rot auf und ermahnt Feierwütige über ein eingebautes Display, leiser zu sein.

Doch nicht nur Lärm soll der Citytree minimieren. Moosmodule im Inneren des Geräts binden Feinstaub in der direkten Umgebung und kühlen zusätzlich die Luft um bis zu 4 Grad herunter. Einen vergleichbaren Effekt hätten den Entwicklern Greencity Solutions zufolge 67 Jungbäume.

Ruhestifter oder Gimmick?

Immer wieder laufen an diesem ekelhaft schwülen Sommerabend Menschen an dem Quader vorbei und betrachten ihn fragend. Einer von ihnen ist Gregory Bryda, der in der Nähe wohnt. Worauf er gerade sitzt, wisse er nicht. „Eine schöne Bank“, sagt er. Davon würde es auf der Brücke sowieso zu wenige geben. Ein Stück weiter spaziert Ike Sommer mit ihren beiden Kindern. Auch die direkte Anwohnerin der Admiralbrücke hat keinen Schimmer, dass ein Lärmschutzgerät vor ihr steht. Ohnehin habe sie die Lautstärke an der beliebten Brücke bislang nicht gestört.

„Seit ich 2018 nach Berlin gekommen bin, ist die Brücke ein Highlight-Ort“, sagt Jacob Rothschild. Er habe häufiger beobachtet, wie Mu­si­ke­r*in­nen und Be­su­che­r*in­nen gemeinsam singen. Dabei könne es sehr laut werden, meint der 34-Jährige, der den Aufbau des Lärmgeräts Ende Juli mitverfolgt hat.

Dass es weiterhin laut ist, bestätigen Messungen des Lärmomats. In den ersten beiden Wochen seit Inbetriebnahme habe der Automat wochentags und am Wochenende nach 22 Uhr mehrere Lärmüberschreitungen gemessen, heißt es auf taz-Nachfrage vom Bezirksamt. Ob die Warnblinkanlage tatsächlich für Ruhe sorgt oder nicht vielleicht doch eher als Partybeleuchtungs-Gimmick wahrgenommen wird, will das Bezirksamt nach Ende des Baumexperiments im Oktober auswerten.

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