Berliner Schulen: Noch viel zu wünschen übrig

Schü­le­r*in­nen der Klassenstufen 3 und 8 schneiden noch schlechter ab als im Vorjahr. Gleichzeitig ist der Leh­rer*­in­nen­man­gel weiter hoch.

Senatorin Günther-Wünsch zum neuen Schuljahr 2023/24

Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) blickt trotz Problemen zuversichtlich ins neue Schuljahr Foto: Jörg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Draußen wummert es, gerade ruckelt ein Bauarbeiter mit einer Rüttelmaschine Pflastersteine in den Boden. Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat sich für ihre Pressekonferenz zum Schulstart trotz des Lärms einen dankbaren Ort ausgesucht. Denn drinnen ist die Schule fertig, Lehrer*innen, Er­zie­he­r*in­nen und Eltern sind wenige Tage vor Schulstart damit beschäftigt, die Klassenräume einzurichten. Zumindest so weit, dass es am Montag mit dem Schulbetrieb schon mal losgehen kann. Was hier entsteht, sei „die Zukunft des Lernens in Berlin“, sagt die Senatorin zum Auftakt ihrer Pressekonferenz zum Schulstart.

Hier an der Landsberger Allee, direkt neben dem Europasportpark, ist Berlins erste Compartmentschule nun fast fertig. Compartment, weil die Klassenräume im neuen Gebäude der Maria-Leo-Grundschule nicht mehr entlang langer Flure aufgereiht, sondern als offene, von mehreren Seiten zugängliche Räume mit großen Fensterfronten gebaut wurden, in denen die Schü­le­r*in­nen selbstständig zwischen Schreibtischen, Stehtischen und Leseecken wechseln können. „Wir wollen hier Schule neu denken“, sagt Schulleiterin Sandra Scheffel. „Wir sind auf allen Ebenen inklusiv“, sagt sie und erzählt, wie viel Freude es ihr und dem Team bereitet habe, die Schule und das an Montessori-Pädagogik angelehnte Konzept zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund hat Schulleiterin Scheffel auch keine Probleme, Leh­re­r*in­nen zu finden die an ihrer Schule arbeiten wollen – im Gegensatz zu zahlreichen anderen Schulen in Berlin, die teilweise nur 80 Prozent oder sogar nur 60 Prozent ihres Stellenbedarfs mit ausgebildeten Leh­re­r*in­nen decken konnten.

Mehr Schüler*innen Im neuen Schuljahr lernen an den allgemeinbildenden Schulen 395.110 Schüler*innen - rund 6.500 mehr als im Vorjahr. Dazu kommen 80.180 Berufsschüler. Berlin hat sechs neue Schulen - insgesamt 706.

Neue Lehrer*innen Berlin hat auf 2.444 Vollzeitstellen zum aktuellen Schuljahr 3.225 Lehrer*innen neu eingestellt, 144 mehr als vor einem Jahr. Viele arbeiten Teilzeit. Darunter sind 1.164 "klassisch ausgebildete" Lehrer*innen, die anderen sind Quereinsteiger. (usch)

„Ja, es fehlen Stellen“, sagt Bildungssenatorin Günther-Wünsch. Aber der Unterricht sei von Leh­re­r*in­nen abgedeckt. Um Leh­re­r*in­nen zu entlasten, könnten Schulen nun auch Ver­wal­tungs­mitarbei­te­r*in­nen einstellen, oder Mit­ar­bei­te­r*in­nen aus anderen Berufsfeldern, etwa Lerntherapeut*innen, pädagogisch Unterrichtshilfen, So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen oder Erzieher*innen. Hoffnung mache ihr auch, dass Berlin mit rund 3.225 Personen mehr neue Leh­re­r*in­nen als noch zum vorherigen Schuljahresanfang eingestellt hätte. Im Mai hatte es noch so ausgesehen, als ob etwa 1.460 volle Leh­re­r*in­nen­stel­len frei bleiben würden – im Schnitt zwei pro Schule. „Das könnte sein, dass es doch weniger als befürchtet werden“, sagte Günther-Wünsch. Genaue Zahlen würden erst Ende September vorliegen.

Zahl der Schulplätze steigt

Berlins Schulen stehen damit weiterhin vor dem großen Problem: Der Leh­rer*­in­nen­man­gel verschärft sich und gleichzeitig steigt die Zahl der Schulplätze. Mit rund 395.110 Schü­le­r*in­nen lernen mehr Kinder und Jugendliche als je zuvor an Berlins allgemeinbildenden Schulen. Darunter sind rund 7.500 Schü­le­r*in­nen aus der Ukraine. Rund 1.100 geflüchtete Kinder und Jugendliche haben zum Schulstart noch keinen Platz bekommen können. Die Senatorin setzt für sie auf tagesstrukturierende und schulvorbereitende Maßnahmen. Und sie sieht eine leichte Verbesserung: „Im Mai hatten wir rund 1.700 Geflüchtete ohne Schulplatz“, sagt sie.

Ein weiterer Schwerpunkt sei, es, die Bildungsqualität zu verbessern – insbesondere angesichts der Ergebnisse aus den Vergleichsarbeiten, bei der Berlins Schü­le­r*in­nen nochmals schlechter abgeschnitten hatten als im Vorjahr. Zwei Drittel der Schü­le­r*in­nen in den Klassenstufen 3 und 8 hätten nicht die Mindeststandards in den Basiskompetenzen in Mathe und Deutsch erreicht, räumte Günther-Wünsch ein. Es waren die ersten umfassenden Vergleichsarbeiten nach Corona.

Schulen sollen Qualitätsentwicklung machen

Die Bildungssenatorin will dafür Fach­be­reichs­lei­te­r*innen für Mathe und Deutsch an den Grundschulen einsetzen. Deren Aufgabe soll es sein, die Qualitätsentwicklung an den Schulen voranzubringen – oder überhaupt erst anzustoßen. „Wir müssen mit den Ergebnissen arbeiten und daraus dann Schlüsse für die Arbeit an den Schulen ziehen“, sagte die Senatorin. Außerdem sollen halbjährliche Gespräche den Lernprozess der Schü­le­r*in­nen begleiten, und zukünftig sollen die Schü­le­r*in­nen mindestens vier statt bisher drei Klassenarbeiten in Deutsch und Mathematik pro Schuljahr schreiben.

„Mit gemischten Gefühlen“ blicke er ins neue Schuljahr, sagt Landeselternsprecher Norman Heise. Es sei erfreulich, dass sich tatsächlich mehr Leh­re­r*in­nen mit unterschiedlichen Qualifikationen gefunden hätten. „Das wäre spannend, die Gründe zu analysieren, damit man diese Effekte verstärken kann“, sagte er. Er begrüßte die Fachbereichsleiter für die Grundschulen. Er bezweifelte allerdings, dass tatsächlich an allen Schulen der Unterricht gesichert sei.

Von den nahezu idealen Bedingungen an der Maria-Leo-Grundschule scheinen die meisten anderen Schulen noch ein gutes Stück entfernt.

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