Berliner Übergangs-Ticket kippelt: Bringt eh nicht allzu viel

Kommt das von Rot-Grün-Rot versprochene günstige ÖPNV-Übergangsticket? Die Wahrscheinlichkeit sinkt täglich – der Nutzen wäre ohnehin überschaubar.

Menschen auf Bahnsteig spiegeln sich in Scheibe

Unterwegs sind sie sowieso – aber wie billig ist das in Zukunft? Foto: dpa / Christoph Soeder

Der Witz ist ja der: Ob das von Rot-Grün-Rot in Berlin versprochene „Übergangsticket“ – als Brücke zwischen dem bundesweiten 9-Euro-Ticket und seinem möglicherweise zum Januar einzuführenden Nachfolger – wirklich kommt, ist sozial- und verkehrspolitisch eher vernachlässigbar. Dieser Aspekt geht in der aktuellen Debatte aber ein wenig unter.

Wie die grüne Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch selbst sagt: Bei den Verhandlungen, die jetzt zwischen Bund und Ländern geführt werden müssen, geht es um einen langfristigen Systemwechsel in der Finanzierung des Nahverkehrs, einen, der vor dem 9-Euro-Experiment „schlicht undenkbar“ war. Wenn der Bund auch noch deutlich mehr Geld für den Ausbau der Infrastruktur gäbe (Stichwort Regionalisierungsmittel), könnte der Personennahverkehr tatsächlich in die Rolle hineinwachsen, die es für Verkehrs- und Klimawende braucht.

Zwar darf bezweifelt werden, dass ein solcher Systemwechsel, der das Auto im Vergleich deutlich unattraktiver machen müsste, auch noch mit einer Fahrkarte für monatlich 69 Euro zu bewerkstelligen ist. Aber das ist hier jetzt nicht das Thema: Es geht um das Versprechen einer Berliner Übergangslösung – und nichts spricht dafür, dass wegen deren Ausbleiben eine bundesweite dauerhafte Lösung schlechter angenommen würde.

Verkehrspolitisch betrachtet würde ein Berliner Inselticket, vielleicht noch plus Speckgürtel, den ÖPNV nicht viel attraktiver machen: Das 9-Euro-Ticket hat bekanntlich vor allem den Verkehr auf Regionalverbindungen gepusht, die diesmal kein Teil des Angebots wären. Und sozialpolitisch? Hat Berlin längst den Tarif S, der noch etwas günstiger ist als 29 Euro. Dieser Preis schwebt Jarasch und auch der Regierenden Bürgermeisterin für ein künftiges Regionalticket in einem Zwei-Stufen-System vor, und damit markieren sie wohl auch das preisliche Minimum für ein vorgezogenes Ticket.

Der Preis ist nicht alles

Natürlich würden viele KundInnen mit einem 29-Euro-Ticket von Oktober bis Dezember Geld sparen, insbesondere die AbonnentInnen, die den Nahverkehr ohnehin regelmäßig nutzen: Sie könnten sich über geringere Abbuchungen bzw. Erstattungen freuen. Die Mobilitätswende würde das aber nur marginal voranbringen, denn was die meisten Berliner ÖPNV-SkeptikerInnen mehr als der Preis umtreibt, sind Angebotsbreite, Zuverlässigkeit, Komfort und Barrierefreiheit, die immer noch viel zu wünschen übrig lassen.

In Wirklichkeit war die ganze Übergangs-Nummer ein politischer Schachzug der SPD, um die grüne Koalitionspartnerin in die Bredouille zu bringen, die beim Thema Mobilität das Sagen hat und gleichzeitig auf dem Geld sitzt. Viele Argumente, mit denen Jarasch und ihre Partei seitdem auf die Bremse gedrückt haben – „Erst muss sich der Bund festlegen“, „Nicht ohne Brandenburg“ – sind nicht wirklich zwingend. Wenn man das Geld tatsächlich ausgeben will, kann man das allemal tun.

Aber so richtig gewollt ist es von den Zuständigen eben nicht, und schon munkeln Verkehrspolitiker von SPD und Linken, dass das wohl nichts mehr werde bis Oktober. Die BVG nennt übrigens als „Richtwert“ für den Vorlauf eines solchen Angebots zwei Wochen. Sprich: Bis kommenden Freitag müsste der Senat eigentlich liefern. „Schlicht undenkbar“ ist das nicht, sehr wahrscheinlich aber auch nicht.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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