Berliner Wahl 2011: Grüne versenken Jamaika

Per Brief kündigt die grüne Fraktion im Abgeordnetenhaus der FDP die Kooperation in der Opposition. Damit könnte es vorbei sein mit dem Traum einer Berliner Bürgermeisterin Künast.

Wer an Jamaika denkt, muss sich zukünftig auf Gold-Sprinter Usain Bolt und seine Landsleute beschränken: Mit Jamaika im Berliner Abgeordnetenhaus ist es vorerst vorbei, nachdem die Grünen mit der FDP gebrochen haben Bild: AP

BERLIN taz | Erst war bloß bildlich das Tischtuch zerschnitten, jetzt sind Grüne und FDP ganz offiziell voneinander getrennt. Eineinhalb Wochen nach dem Eklat im Abgeordnetenhaus hat die Grünen-Fraktion per Brief die "bisher zwischen uns gepflegte engere parlamentarische Zusammenarbeit" mit den Liberalen beendet.

Konkret heißt das: keine gemeinsamen Anträge mehr, keine Presserklärungen, Veranstaltungen oder Vorabsprachen. So steht es in einem Schreiben der Fraktionsspitze an die FDP-Fraktion. Die nach der Wahl 2006 vor allem vom damaligen CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger betriebene Jamaika-Koalition der Opposition ist damit beendet.

Hintergrund des Zerwürfnisses sind Äußerungen von FDP-Innenpolitiker und Fraktionsvize Björn Jotzo. Er hatte vorvergangene Woche in der Parlamentsdebatte zum 1. Mai und zur Sitzblockade um den Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) die Grünen auf einem Weg gesehen, der "letztlich in die Meinungsdiktatur führt".

Jotzo focht für Demonstrationsfreiheit auch für Rechtsextreme: Freiheit in einer demokratischen Ordnung sei auch die Freiheit des Andersdenkenden. Wer das nicht erkenne, sagt er, "der sollte gegebenenfalls prüfen, ob er nicht auf der anderen Demo hätte mitmarschieren müssen".

Die Grünen sahen sich dadurch in die rechte Ecke gestellt. Ihr Fraktionschef Volker Ratzmann erbat sich sofort Rederecht und sagte Richtung Jotzo, der habe "wirklich jedes Tischtuch der Zusammenarbeit zwischen uns und Ihnen durchschnitten".

Bleiben die Grünen bis zur Abgeordnetenhauswahl 2011 auf solcher Distanz zur FDP, hätten sie eine Koalitionsoption weniger. Bislang galten sie als mögliche Partner von CDU und FDP genauso wie von Rot-Rot. Sich auf SPD und Linkspartei zu beschränken, hieße nicht nur, einer stark kritisierten Regierung zum Weitermachen zu verhelfen. Es könnte zudem das Aus für eine grüne Regierende Bürgermeisterin Renate Künast bedeuten.

Denn die Grünen sind zwar in der jüngsten Meinungsumfrage mit 23 Prozent erstmals an der CDU vorbeigezogen und könnten in einem Bündnis mit der Union das Rote Rathaus für sich beanspruchen. CDU-Chef Frank Henkel hatte gegenüber der taz bereits deutlich gemacht, das er das akzeptieren würde: Es gebe ungeschriebene Gesetze in der Politik, "und eines davon lautet, dass die stärkste politische Kraft den Regierungschef stellt". In einem Bündnis mit Rot-Rot aber gilt eine grüne Führungsrolle als unwahrscheinlich. Denn vor der SPD, derzeit bei 26 Prozent, lagen die Grünen in einer Berlin-Umfrage noch nie.

So scheint es kein Zufall, dass sich die Grünen eine Hintertür offen lassen. Die hat sieben Buchstaben und besteht aus dem kleinen, zeitlich einschränkenden Wort "derzeit". Denn die Grünen bezeichnen die FDP in ihrem Trennungsbrief zwar als "nicht politik- und gestaltungsfähig" - aber eben nicht für immer und ewig, sondern bloß "derzeit".

Nichtsdestotrotz ist der Bruch umso bedeutsamer, da gerade Fraktionschef Ratzmann im Gegensatz zu vielen anderen Grünen zuvor Gemeinsamkeiten mit der FDP betont hatte. Zwar war auch von ihm regelmäßig zu hören, in der Opposition gebe es keine Koalitionen. Fast ebenso regelmäßig aber waren die Grünen zusammen mit CDU und FDP aufgetreten und hatten Geschlossenheit zur Schau gestellt.

Für seinen bisherigen Kurs, gleichen Abstand zu Schwarz-Gelb wie zu Rot-Rot zu halten, hatte Ratzmann vor allem vom links orientierten Kreuzberger Parteiflügel viel Kritik bekommen. Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht, bekam er im November am Rande des Landesparteitags zu hören. Mit dem Bruch mit der FDP schließt sich nun der Kreis: In zweieinhalb Wochen steht der nächste Parteitag an.

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